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Nicht nur für Elise – wie Beethoven den Blues bekam

Auf “Beethoven Blues” erfindet Jon Batiste aus der Perspektive eines Musikers, der in New Orleans mit Jazz, Blues, Gospel und anderen afroamerikanischen Stilen aufgewachsen ist, einige der bekanntesten Werke Beethovens neu.
Jon Batiste - Beethoven Blues
Jon Batiste - Beethoven Blues Eyerusalem Yaregal Seyoum & Melketsadek
12.11.2024
Das Album auf LP und als signierte Sonderedition finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Es gibt Leute, die behaupten, Ludwig van Beethoven habe den Jazz erfunden. Dasselbe wird allerdings auch Johann Sebastian Bach nachgesagt, der immerhin fast ein Jahrhundert vor Beethoven lebte. Tatsächlich hat natürlich weder der eine noch der andere “den Jazz erfunden”. Aber beide haben als Pioniere in ihrer Musik Elemente verwendet, die später in ähnlicher Form im Jazz aufgegriffen wurden und diesen zu einem gewissen Grad mitgeprägt haben. So sieht es auch Multitalent Jon Batiste, der sich schon in jungen Jahren von Beethovens Werken inspirieren ließ. Auf seinem neuen Album “Beethoven Blues” trägt er dem nun Rechnung. Aus der Perspektive eines Pianisten, der in New Orleans mit Jazz, Blues, Gospel und anderen afroamerikanischen Stilen aufgewachsen ist und seit jeher musikalischen Grenzen überschreitet, interpretiert Batiste improvisatorisch einige der bekanntesten Kompositionen des genialen Wegbereiters der romantischen Musik. Nach seinem Grammy-ausgezeichneten Jazz/Black-Music-Album “WE ARE”, dem Nachfolger “World Music Radio” und jüngeren Kollaborationen mit Pop-Stars wie Beyoncé, A$AP Rocky, Fireboy DML und Willow ist sein neues Projekt für viele seiner Fans ein überraschender Schritt.
“Beethovens Musik war zutiefst afrikanisch”, lehnt sich Batiste zunächst ein wenig kühn aus dem Fenster, um dann hinzuzufügen: “In rhythmischer, struktureller, melodischer, emotionaler und kompositorischer Hinsicht ist er der Goldstandard.” Die Idee zu dem Album kam dem fünffachen Grammy-Gewinner vor einem Jahr, als er in der CNN-Sendung “Who’s Talking To Chris Wallace” zu Gast war. Während des Gesprächs fragte ihn Interviewer Wallace: “Kannst du uns zeigen, wie du eine musikalische Barriere durchbrichst und von einem Genre ins andere wechselst?” Batiste wählte zu Demonstrationszwecken Beethovens “Für Elise” aus und verwandelte das Stück vor den Augen und Ohren des verblüfften Talkmasters zunächst in einen Blues und dann in einen Gospel. Ein Clip davon wurde auf Instagram inzwischen über 40 Millionen Mal angesehen und begeistert kommentiert.
“Spontaneous composition” nennt Batiste diese Art der Improvisation, die er nun auch auf “Beethoven Blues” anwendet. Neben “Für Elise” interpretiert er unter anderem die “Mondscheinsonate” sowie Auszüge aus der “Sinfonie Nr. 5” und der “Sinfonie Nr. 9 (Ode an die Freude)”. Mit “Dusklight Movement” und dem “American Symphony Theme” präsentiert Batiste außerdem zwei von klassischer Musik inspirierte eigene Stücke. Kurioserweise “fehlt” im Repertoire die “Klaviersonate Nr. 32”, von der Igor Strawinsky einmal sagte, dass sie mit ihrer stellenweisen starken Synkopierung den Boogie-Woogie und Ragtime vorweggenommen habe, eine Einschätzung, die unter anderem auch Wynton Marsalis teilt.
Batistes Ziel ist es, moderne Interpretationen von Beethovens Originalwerken zu liefern, ohne deren charakteristische Elemente aufzugeben. “Auf diese Weise möchte ich die kulturellen Bezugspunkte von Beethovens Musik erweitern”, sagt er. “Indem ich die Tiefe und Komplexität der Originalkompositionen beibehalte und gleichzeitig eine neue Ebene zeitgenössischer Musikalität hinzufüge, fühlt es sich für mich an, als würde ich in einen Dialog mit Beethoven treten.”
Das Album ist der Auftakt einer geplanten Reihe von Solo-Klavieraufnahmen, auf denen sich Jon Batiste jeweils mit einem anderen zentralen musikalischen Thema oder einer Idee auseinandersetzen möchte.
 
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