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Spontaner Geniestreich – Das neue Album “In Full View” vom Julia Hülsmann Quartet

"In Full View"
"In Full View"© ECM Records
11.04.2013
 
Es gibt Musiker, die sich auf jedem Album mit völlig neuen Mitspielern umgeben, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu erwecken und ihre Vielseitigkeit zu demonstrieren. Die Berliner Pianistin Julia Hülsmann hat dies nicht nötig. Seit sie im Jahr 2000 mit ihrem ersten Trio-Album (damals noch mit Schlagzeuger Rainer Winch) debütierte, trat sie auf ihren Alben  beharrlich in zwei kennzeichnenden Kontexten auf: entweder nur mit ihrem Trio oder mit Verstärkung durch Vokalisten wie Rebekka Bakken, Anna Lauvergnac und Roger Cicero (live konnte man das Trio kürzlich mit dem einzigartigen Theo Bleckmann erleben). Eine Ausnahme stellte 2009 das “Fasil”-Projekt dar, das Hülsmann und ihr Trio für ein gleichnamiges ECM-Projekt mit dem Gitarristen Marc Sinan, der Vokalistin Yelena Kuljic und der Violaspielerin Lena Thies zusammenführte. Für “The Full View” hat sie ihr Trio nun überraschend durch den britischen Trompeter und Flügelhornisten Tom Arthurs zum Quartett erweitert. Und das Album entpuppt sich als spontaner Geniestreich!
Nach ihren zwei viel beachteten Trioalben für ECM (“The End Of A Summer”, 2008, und “Imprint”, 2011) hatte die Pianistin aus dem Wunsch nach kreativer Weiterentwicklung heraus über ein Projekt mit einer Sängerin und einem weiteren Melodieinstrument, aber ohne Bass und Schlagzeug nachgedacht. Doch nach dem Besuch eines Konzerts des in Berlin lebenden Tom Arthurs, den sie 2007 beim Jazzfest Berlin kennen gelernt hatte, änderte sie ihre Pläne: “Es war ein Konzert mit seinen eigenen Stücken, mit einem Streichquartett, Bass, Schlagzeug und ihm an der Trompete. Ich fand die Musik so schön, dass ich ihn spontan fragte, ob wir zusammenarbeiten wollen.” Arthurs, der unter anderem mit John Surman, Iain Ballamy, Thomas Strønen und Kenny Wheeler gearbeitet hat (und als Einflüsse neben dem Komponisten György Ligeti auch die Regisseure Andrei Tarkovsky und Jean-Luc Godard nennt), schlug ein. Erste Proben machten beiden Musikern “sofort klar, dass es passt” (Hülsmann), aber auch, dass die Pianistin auf ihre gewohnte Rhythmusgruppe aus Marc Muellbauer und Heinrich Köbberling nun doch nicht verzichten wollte: “Gerade im Kontext dieses völlig neuen Projekts ist es von großem Wert, dass wir uns musikalisch so lange und gut kennen.”
Und so wurde aus dem Julia Hülsmann Trio (das, so John Fordham 2011 im Guardian, “manchmal erahnen lässt, wie ein Bill Evans Trio im Zeitalter von Brad Mehldau and The Bad Plus hätte klingen können”) das Julia Hülsmann Quartett – mit einer starken neuen Stimme, denn Neuzugang Tom Arthurs nimmt eine prominente Rolle ein. Das neue Bandgefühl wirkte sich zudem anregend auf die Kompositionstätigkeit aller vier Musiker aus. Obwohl die Pianistin eigentlich im Sinn gehabt hatte, ein Album komplett mit ihren Eigenkompositionen aufzunehmen, brachte nun jeder Mitspieler Stücke ein. So stand, als “In Full View” im Juni 2012 von Manfred Eicher im Rainbow Studio in Oslo produziert wurde, schließlich Songmaterial in Überfülle zur Verfügung, zumal das Programm noch durch “The Water”, einen Song der kanadischen Sängerin und Songwriterin Feist (auf “The End Of A Summer” hatte Hülsmann schon einmal erfolgreich Seals Hit “Kiss From A Rose” gecovert),“Richtung Osten” aus der Feder von Heinrich Köbberlings Frau Fumi Udo und “Nana” von Manuel de Falla abgerundet wird.
Schon in wenigen Tagen geht das Julia Hülsmann Quartett auf eine kleine Deutschland-Tournee, um “In Full View” bei Konzerten in München (13. April), Köln (21. April), Bielefeld (26. April), Leipzig (27. April) und Berlin (30. April) live vorzustellen.