Die Zeiten, in denen das Jazzpiano fast ausschließlich männlichen Musikern vorbehalten war, gehören zum Glück der Vergangenheit an. Ein gutes Beispiel dafür ist die 27-jährige Berlinerin Julia Kadel. Vor kurzem noch ein Insider-Tipp in der lokalen Jazzszene, drängt sie nun mit ihrem Debütalbum “Im Vertrauen” selbstbewusst ins internationale Scheinwerferlicht.
Kadel ist keine musikalische Leisetreterin, die ausschließlich in Wohlklängen schwelgt. Obwohl Poesie in ihrer Musik durchaus eine prominente Rolle spielt, versteht sie es auch kraftvoll zu grooven oder sich sicher durch atonale Gefilde zu hangeln. Mit ihren Trio-Partnern, dem deutsch-norwegischen Bassisten Karl-Erik “Kalle” Enkelmann und dem Dresdener Schlagzeuger Steffen Roth, nimmt sich Kadel die Freiheit, den reichen Fundus der Traditionen von Klassik über Jazz bis Pop nach eigenem Gusto auszulegen.
Und damit begeisterte sie erst den Trompeter Till Brönner, der sie seiner eigenen Plattenfirmen ans Herz legte, und dann US-Produzentenlegende und Blue-Note-Labelchef Don Was. “Sie ist eine fantastische Musikerin”, meinte letzterer, als er grünes Licht dafür gab, Kadels Debüt bei Blue Note herauszubringen. “Vor 75 Jahren begann die Geschichte des Labels mit zwei Berliner Exilanten, ich bin sicher dass Alfred Lion, wäre er noch unter uns, Julia Kadel mit Freude unter Vertrag nehmen würde.”
Die Einheit des Trios beruht auf den unterschiedlichen Charakteren der drei Protagonisten. Kalle Enkelmann und Steffen Roth bilden eine eingespielte Rhythmusgruppe. Sie umtanzen einander, wobei man selten genau zuordnen kann, wer gerade führt. Traumwandlerisch changieren beide zwischen ätherischer Leichtigkeit und erdkernhafter Schwere. Auf diesem Fundament kann sich die Pianistin jede nur denkbare erzählerische Freiheit nehmen. So gelingt dem Trio ein seltenes Kunststück:
Der im Jazz viel zu inflationär gebrauchte Begriff “Freiheit” ist auf dieser CD endlich einmal ernst gemeint. Die drei jungen Musiker spielen im Freiflug, was ihnen aus den Cockpits ihrer Imagination in die Finger fließt. Alles ist möglich, solange es nicht beliebig wird. Die entspannte Konzentration und verspielte Ernsthaftigkeit, die sich hier vom ersten bis zum letzten Ton offenbart, der verbindlich plaudernde, aber stets fundierte und wohl artikulierte Grundton, ja die unglaubliche Spielkultur ohne jeden Missionierungswillen machen die Verführungskraft von “Im Vertrauen” aus.