Julius Rodriguez | 2024

Fusion-Jazz für die Generation Z

Mit seinem zweiten Verve-Album “Evergreen” setzt der Pianist und Schlagzeuger Julius Rodriguez ein Ausrufezeichen. Auf ihm erweist er sich als eines der interessantesten und vielseitigsten Talente seiner Generation.
Julius Rodriguez
Julius Rodriguez(c) atibaphoto
13.06.2024
Das Album auf LP und mehr finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Sogenannte Gen Z-Jazzer sind noch ein sehr junges Phänomen. Und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die Vertreter/innen dieser Spezies befinden sich allesamt noch in ihren frühen 20ern und sind erst in den vergangen paar Jahren in die Schlagzeilen geraten. Zu den prominentesten Aushängeschildern dieser neuen Jazzgeneration gehören das Duo DOMi & JD Beck, Laufey und Samara Joy.
In derselben Liga spielt laut dem britischen Kritiker Chris May aber auch der Pianist und Schlagzeuger (oder besser: Multiinstrumentalist) Julius Rodriguez. Als May vor zwei Jahren für All About Jazz dessen Verve-Debüt “Let Sound Tell All” besprach, schrieb er: “Jazz-Plus-Hybride sind natürlich nichts Neues, und die Idee erhielt zu Beginn des 21. Jahrhunderts unter anderem von dem Pianisten Robert Glasper und dem Trompeter Roy Hargrove kräftigen Auftrieb. Aber was den Gen Z-Jazz von früheren Mash-ups unterscheidet, die lediglich postmodern waren, ist, dass er als 360-Grad-Post-Streaming-Spin der Musik das Produkt eines Klanguniversums ist, in dem sich Genres, Künstler und Traditionen mit fiebriger Promiskuität aneinander reiben.”
Das jüngste und beste Beweisstück dafür ist Julius Rodriguez’ neues Album “Evergreen”, das von genau dieser “fiebrigen Promiskuität” geprägt ist. In zehn größtenteils selbst geschriebenen Songs jongliert Rodriguez virtuos mit Elementen von Gospel, Jazz, Klassik, R&B, Hip-Hop und Electronica. Während er sich auf “Let Sound Tell All” noch weitgehend auf seine beiden Hauptinstrumente Klavier und Schlagzeug beschränkt hatte, geht Julius diesmal als Multiinstrumentalist wirklich in die Vollen. Denn neben diversen Keyboards und Percussion spielt er hier nun auch noch Bass, Gitarren und einmal sogar Klarinette.
Das Album beginnt er mit einem dynamischen Stück, das er “Mission Statement” betitelt hat und in dem die Altsaxofonistin Nicole McCabe ein erstes solistisches Highlight setzt. “Ich versuche nicht nur, der Jazzmusiker zu sein, als den mich jeder kennt”, erklärt Julius den Titel der Nummer. “Meine Vision war es, einen anderen Sound zu kreieren, der aufgrund meiner Einflüsse einzigartig ist. Meine Mission ist es, aus dem auszubrechen, was die Leute bereits von mir kennen und erwarten, und einfach das zu machen, was mir gefällt.” Dabei richtet er den Blick zwar eindeutig nach vorne, verliert die Geschichte des Jazz und verwandter Stile aber nicht aus den Augen.
Das zusammen mit Meshell Ndegeocello geschriebene  “Run To It (The CP Song)” etwa erinnert an die groovende Fusionmusik der 70er-Jahre-All-Star-Band Stuff. Am anderen Ende des Spektrums steht die Coverversion von “Many Times”, einem Stück des Alternative-R&B-Sängers Dijon, das Rodriguez in eine geradezu hymnische Jazznummer verwandelt hat. Dass die Zukunft des Jazz bei Musikern wie dem erst 25-jährigen Julius Rodriguez in guten Händen liegt, daran lässt “Evergreen” keinen Zweifel.
Live:
Evergreen (LP)
Evergreen (LP)
VÖ: 14. Juni 2024
Julius Rodriguez

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Evergreen
Evergreen
VÖ: 14. Juni 2024
Julius Rodriguez

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Modernist mit Sinn für Traditionen: ein raffinierter Sound-Tüftler, der manchmal vierhändig spielt

Mit “Let Sound Tell All” hat der erst 23-jährige Pianist und Schlagzeuger Julius Rodriguez ein erstaunlich selbstbewusstes Debütalbum aufgenommen.
Julius Rodriguez
Julius Rodriguez(c) Avery J. Savage
09.06.2022
Es ist schon keine geringe Kunst ein einzelnes Instrument virtuos zu spielen. Julius Rodriguez aber beherrscht mit seinen gerade einmal 23 Jahren gleich zwei ganz ausgezeichnet: Klavier und Schlagzeug. Auch wenn er sich auf “Let Sound Tell All”, seinem erstaunlich selbstbewussten Debütalbum für Verve, vorwiegend auf seine pianistischen Fähigkeiten konzentriert. Doch damit nicht genug: denn profilieren kann Julius sich zudem noch als Keyboarder, Komponist (sieben der neun Stücke von “Let Sound Tell All” stammen von ihm), Arrangeur und Bandleader. Um so bemerkenswerter ist, dass er sich trotzdem nicht permanent in den Vordergrund spielt, sondern seinen Mitstreitern – u.a. Trompeter Giveton Gelin, Saxofonist und E-Bassist Morgan Guerin (noch so ein virtuoser Doppelbegabter!), die Bassisten Ben Wolfe und Philip Norris sowie Jon Batistes Schlagzeuger Joe Saylor – reichlich Raum überlässt, seine Musik auf ihre eigene Weise zu gestalten und auszuschmücken.
Musikalisch bewegt sich Julius Rodriguez auf seinem Debüt äußerst gewandt zwischen den Polen der Jazztradition und moderner Black Music. Im kanadischen Radiosender JAZZ.FM91 bezeichnete Javon Anderson “Let Sound Tell All” als kühnes Statement darüber, wie die Zukunft des Jazz aussehen kann, und meinte: “Mit einer Mischung aus Gospel, Hip-Hop, Pop, Klassik und R&B sowie experimentellen Produktionstechniken hat Rodriguez die Vision seines Projekts in die Tat umgesetzt. Er macht aus seinen Einflüssen – darunter Thelonious Monk, John Coltrane, Solange, James Blake und Sampha - keinen Hehl und verflicht sie mit den Bausteinen seiner Experimente.”
Auf “Let Sound Tell All” lässt Julius Rodriguez alles einfließen, was er gelernt hat, seit er als Dreijähriger klassischen Klavierunterricht erhielt. Angefangen bei den Lektionen seiner ersten Mentorin Audrey McCallum, einer Freundin seiner Familie, die in Baltimore eine hoch angesehene Musikpädagogin ist. Über seinen frühen Erfahrungen als Kirchenmusiker und elfjähriger Sessionmusiker im berühmten Smalls Jazz Club in New York. Bis zu seinen Aufenthalten an der Jugendtalentschmiede der Manhattan School of Music und später der ebenso renommierten Juilliard School oder einem Sommerkurs bei Terri Lynne Carrington am Berklee College in Boston. Doch ihm wurde schnell klar, dass die eigentliche Schule für einen Musiker das Live-Spielen ist. Sei es in kleinen Jazzclubs oder in großen Arenen. Deshalb unterbrach er 2018 sein Studium an der Juilliard School, um mit den Musikern des Onyx Collective den Rapper A$AP Rocky auf einer Tournee zu begleiten.
Anfang 2019 nahm sein stilistischer Eklektizismus dann immer stärkere Form an: Er spielte Orgel für Me’shell Ndegeocello und das Hip-Hop-Produktionsduo Brasstracks; er war Pianist auf Carmen Lundys Grammy-nominiertem Gesangsalbum “Modern Ancestors”; er wirkte an Aufnahmen von anderen progressiven Eklektikern wie Morgan Guerin und Kassa Overall mit; er trat mit seiner eigenen Jazzband in den New Yorker Clubs auf und machte sich in der Black-Music-Szene einen Namen als “Orange Julius”.
Diesen Facettenreichtum präsentiert er nun auch auf “Let Sound Tell All”. Mal glänzt er dort, wie im Opener “Blues At The Barn”, im klassischen Jazztrio als bluesig-swingender Pianist wie ein moderner Oscar Peterson. Dann fungiert er als einfühlsamer Begleiter der Sängerin Mariah Cameron in Stevie WondersAll I Do”, dessen Arrangement an die ursprüngliche Motown-Version von Tammi Terrell aus dem Jahr 1966 angelehnt ist. Weitere Highlights sind das von Samara Joy gesungene Darlene-Andrews-Stück “In Heaven”, das durch Gregory Porter bekannt wurde, sowie die stimmungsvolle Single “Gift Of The Moon”, für die Trompeter Giveton Gelin drei übereinander gelegte Soli einspielte. Und dann ist da schließlich noch die ungemein explosive Nummer “Two Way Street”, die Julius als Schlagzeuger im Duo mit dem Saxofonisten Morgan Guerin beginnt, bevor sie in die wilde Session auch als Pianist bzw. E-Bassist einsteigen und das Duo so zum Quartett wird. Hervorragende Arbeit leistete auch der Produzent Drew Moore, der Julius Rodriguez vom Mischpult aus bei seinen kühnen Sound-Experimenten half.
“Meine Musik basiert auf Improvisation… aber sie wird auch von einer Menge anderer Dinge beeinflusst”, sagt Julius Rodriguez, der haitianische Wurzeln hat. “An einem Punkt nannte ich meine Kompositionen einmal ‘Jazz-Pop-Songs’ – es sind einfachere Melodien, kürzere Songs mit kompakteren Arrangements, aber wir spielen immer noch Soli und benutzen eine Jazzsprache. Es ist einfach Musik, die ich schreibe, die von all den Dingen beeinflusst wird, die um mich herum passieren. Zeitgenössische Instrumentalmusik. Aber es ist lustig, wenn man das sagt. Die Leute nehmen dann an, dass du irgendwelches ausgeflipptes, neoklassisches Zeugs spielst. Nein, du kannst auch auf eine simple Art und Weise improvisieren, so dass die Leute mitsingen und dazu tanzen können. Das ist genau das, was ich machen möchte.”
Let Sound Tell All (D2C LP)
Let Sound Tell All (Ltd. Col. LP)
VÖ: 10. Juni 2022
Julius Rodriguez

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Julius Rodriguez LP
Let Sound Tell All (LP)
VÖ: 10. Juni 2022
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Julius Rodriguez_Let Sound Tell All
Let Sound Tell All
VÖ: 10. Juni 2022
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