Mit seinem zweiten Verve-Album “Evergreen” setzt der Pianist und Schlagzeuger Julius Rodriguez ein Ausrufezeichen. Auf ihm erweist er sich als eines der interessantesten und vielseitigsten Talente seiner Generation.
Sogenannte Gen Z-Jazzer sind noch ein sehr junges Phänomen. Und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die Vertreter/innen dieser Spezies befinden sich allesamt noch in ihren frühen 20ern und sind erst in den vergangen paar Jahren in die Schlagzeilen geraten. Zu den prominentesten Aushängeschildern dieser neuen Jazzgeneration gehören das Duo DOMi & JD Beck,Laufeyund Samara Joy.
In derselben Liga spielt laut dem britischen Kritiker Chris May aber auch der Pianist und Schlagzeuger (oder besser: Multiinstrumentalist) Julius Rodriguez. Als May vor zwei Jahren für All About Jazz dessen Verve-Debüt “Let Sound Tell All” besprach, schrieb er: “Jazz-Plus-Hybride sind natürlich nichts Neues, und die Idee erhielt zu Beginn des 21. Jahrhunderts unter anderem von dem Pianisten Robert Glasper und dem Trompeter Roy Hargrove kräftigen Auftrieb. Aber was den Gen Z-Jazz von früheren Mash-ups unterscheidet, die lediglich postmodern waren, ist, dass er als 360-Grad-Post-Streaming-Spin der Musik das Produkt eines Klanguniversums ist, in dem sich Genres, Künstler und Traditionen mit fiebriger Promiskuität aneinander reiben.”
Das jüngste und beste Beweisstück dafür ist Julius Rodriguez’ neues Album “Evergreen”, das von genau dieser “fiebrigen Promiskuität” geprägt ist. In zehn größtenteils selbst geschriebenen Songs jongliert Rodriguez virtuos mit Elementen von Gospel, Jazz, Klassik, R&B, Hip-Hop und Electronica. Während er sich auf “Let Sound Tell All” noch weitgehend auf seine beiden Hauptinstrumente Klavier und Schlagzeug beschränkt hatte, geht Julius diesmal als Multiinstrumentalist wirklich in die Vollen. Denn neben diversen Keyboards und Percussion spielt er hier nun auch noch Bass, Gitarren und einmal sogar Klarinette.
Das Album beginnt er mit einem dynamischen Stück, das er “Mission Statement” betitelt hat und in dem die Altsaxofonistin Nicole McCabe ein erstes solistisches Highlight setzt. “Ich versuche nicht nur, der Jazzmusiker zu sein, als den mich jeder kennt”, erklärt Julius den Titel der Nummer. “Meine Vision war es, einen anderen Sound zu kreieren, der aufgrund meiner Einflüsse einzigartig ist. Meine Mission ist es, aus dem auszubrechen, was die Leute bereits von mir kennen und erwarten, und einfach das zu machen, was mir gefällt.” Dabei richtet er den Blick zwar eindeutig nach vorne, verliert die Geschichte des Jazz und verwandter Stile aber nicht aus den Augen.
Das zusammen mit Meshell Ndegeocello geschriebene “Run To It (The CP Song)” etwa erinnert an die groovende Fusionmusik der 70er-Jahre-All-Star-Band Stuff. Am anderen Ende des Spektrums steht die Coverversion von “Many Times”, einem Stück des Alternative-R&B-Sängers Dijon, das Rodriguez in eine geradezu hymnische Jazznummer verwandelt hat. Dass die Zukunft des Jazz bei Musikern wie dem erst 25-jährigen Julius Rodriguez in guten Händen liegt, daran lässt “Evergreen” keinen Zweifel.