Als
Keith Jarrett 1997 verkündete, dass er wohl auf unabsehbare Zeit keine Solokonzerte mehr geben würde, sendete die Nachricht Schockwellen durch die Musikwelt. Denn Jarrett galt als der Inbegriff des improvisierenden Solokünstlers, der aus dem Stegreif und ohne Vorgaben einen ganzen Konzertabend bestreiten konnte. Auf dem Album “
La Scala”, zwei Jahre zuvor in der Mailänder Scala live mitgeschnitten, hatte er dies gerade erst erneut bewiesen. Doch die Auswirkungen der chronischen Erschöpfung, an der Jarrett litt, zwangen den Pianisten dazu, seine künstlerischen Tätigkeiten weitgehend einzuschränken. Erst 2002 meldete er sich als Solist wieder auf der Bühne zurück. Mit Konzerten in Japan, die von
ECM auf der Doppel-CD “
Radiance” und der DVD “
Tokyo Solo” dokumentiert wurden und auf denen er sein neues Improvisationskonzept vorstellte.
Jetzt gibt Jarretts Münchener Stammlabel eine Box mit vier CDs heraus, die noch vor der ungewollten Auszeit entstanden. Versammelt sind in der Box Aufnahmen von vier italienischen Konzerten, die Jarrett vor genau 20 Jahren im Oktober 1996 in Modena, Ferrara, Turin und Genua gegeben hatte. Jedes der Konzerte bestand aus jeweils zwei komplett improvisierten Solo-Sets und Zugaben. Es waren tatsächlich die letzten Auftritte, bei denen der Pianist seiner überbordenden Improvisations-Phantasie ungezügelt freien Lauf ließ. “Das waren die letzten Konzerte, bei denen ich jedes Set ohne Unterbrechungen spielte”, schreibt Jarrett im Begleitext zur Box. “Der Bogen der Musik ist besonders weitgespannt: der Jazz ist hier stets präsent, aber man spürt auch meine große Nähe zur klassischen Musik (moderner und alter, Ives und Bach).” Erscheinen wird die Box mit dem Titel “A Multitude Of Angels” am 04. November bei ECM Records.