Auf seinem letzten Album “Vinding’s Music” hatte Ketil Bjørnstad einen Soundtrack zu den von ihm selbst verfassten Romanen der “Vinding”-Trilogie geliefert. Nun spielte der norwegische Pianist und Komponist mit einer internationalen All-Star-Band für “La Notte” Musik ein, zu der ihn Filme des italienischen Meisterregisseurs Michelangelo Antonioni inspirierten.
Die acht wie bei einer Suite schlicht durchnummerierten Stücke für
“La Notte” entstanden als Auftragskomposition für das Molde International Jazz Festival, wo sie 2010 bei der Uraufführung live für das vorliegende Album mitgeschnitten wurden. Mit ihnen verbeugt sich
Ketil Bjørnstad vor dem großen italienischen Filmemacher
Michelangelo Antonioni (2012–2007), dessen Werke ihn früh und nachhaltig beeinflussten.
Den Titel des Albums lieh sich Bjørnstad, wie Filmkenner gleich erkannt haben dürften, natürlich vom gleichnamigen Antonioni-Klassiker aus dem Jahr 1961.
Über die wechselseitige Beziehung zwischen Musik und Filmkunst
“Zur selben Zeit, als ich durch
Miles Davis’ ‘In A Silent Way’ entdeckte, was Jazz sein konnte, sah ich die Filme von Godard, Bresson und Antonioni”, erinnert sich Ketil Bjørnstad. “Das geschah in jener Lebensphase, in der man besonders aufgeschlossen und neugierig auf alles Neue ist. Man konnte sich am frühen Nachmittag in ein dunkles Kino zurückziehen und dort die Werke der neuen und alten Meister sehen. Vielleicht war es die langsame, rhythmische Autorität in Michelangelo Antonionis Filmen, die mich an Musik erinnerte… Da visuelle Kunst in unseren Köpfen Musik entstehen lässt und Musik Bilder und visuelle Ausdrücke mit derselben Intensität kreiert, sind beide Formen zutiefst und wechselseitig miteinander verbunden.” Das Album kann insofern als “Soundtrack für einen inneren Film” betrachtet werden, in dem Antonionis Bilder und die Atmosphäre seiner Filme durch persönliche Stimmungen und Erinnerungen in Musik übersetzt und transformiert wurden.
Momente von berauschender Dramatik werden mit subtileren Interludien gepaart
Für die Aufführung in Molde stellte Bjørnstad eine atemberaubende internationale Band aus alten und neuen Freunden zusammen, deren Mitglieder allesamt schon auf zahlreichen
ECM-Alben mitgewirkt haben. Sie bestand aus dem britischen Saxophonisten Andy Sheppard, dem norwegischen Gitarristen
Eivind Aarset und seinem Landsmann
Arild Andersen am Bass, der deutschen Cellistin
Anja Lechner und der amerikanisch-dänischen Perkussionistin
Marilyn Mazur. “Bjørnstad ist
dafür bekannt, bezwingende Musik zu komponieren, jene Art von Musik, die einen ebenso sehr auf eine spirituelle wie klangliche Reise mitnimmt”, schrieb John Kelman in einer Besprechung des Molde-Konzerts beim Jazzportal
All About Jazz. “Und da er auch ein anerkannter Lyriker sowie Roman- und Sachbuchautor ist, überrascht es nicht, dass seine Musik oft sehr narrative Qualitäten besitzt. Bjørnstad kombinierte Familiäres mit Neuem: familiär sind die sich schlängelnden, aber singbaren Melodien, die er schon immer schrieb; neu ist die dynamische Bandbreite, die bei dieser Performance von nahezu vollkommener Stille bis zu donnernder Power und malstromartigen Turbulenzen reichte… Auch der Spannungsaufbau des Programms hätte nicht besser sein können: Momente von berauschender Dramatik werden mit subtileren Interludien gepaart. Das Konzert zeigte auch, wie gut diese Musiker – die alle sehr unterschiedliche persönliche Stile haben – sich hier zusammenfinden, um eine Musik zu kreieren, die voller Anmut, Leidenschaft, Schönheit und Kraft ist. Sie sprechen mit einer Stimme, die durch Bjørnstad musikalisches Prisma gefiltert wurde, klingen aber dennoch stets wie sie selbst. ”