Wenn einen das neue Album von Madeleine Peyroux etwas lehrt, dann ist es, dass man diese Sängerin nie unterschätzen sollte. Sie braucht keinen fetten Backbeat, um funky zu klingen. Dazu reichen ihr bei Allen Toussaints “Everything I Do Gonna Be Funky (From Now On)” schon ihre Stimme, zwei Gitarren und ein Kontrabass. Und auch “More Time”, ein Klassiker des britischen Dub-Kultstars Linton Kwesi Johnson, wirkt bei ihr nicht fehl am Platze. Auf “Secular Hymns” hat sich Peyroux einmal mehr selbst übertroffen, vielleicht gerade weil das Rezept diesmal besonders simpel war: Spaß haben und drauflos spielen. Diese Devise gab Peyroux aus, als sie mit Gitarrist John Herington und Bassist Barak Mori – die seit zwei Jahren ihre Trio-Partner sind – in eine kleine, historische südostenglische Kirche ging, um dort “Secular Hymns” aufzunehmen. “Musik ist unser spirituelles Leben”, sagt sie. “Deshalb bezeichne ich diese Stücke als Hymnen, weltliche Hymnen sozusagen – Songs, die individuell, persönlich, introvertiert sind.”
Bemerkenswert ist auch die Art und Weise, wie diese Aufnahmen zustande kamen. Die Geschichte begann mit einem Konzert an einem ungewöhnlichen Ort. Der berühmte französische Gastronom und Küchenchef Raymond Blanc hatte 1984 in dem winzigen Dorf Great Milton ein altes Landhaus gekauft, in dem er unter dem Namen Belmond Le Manoir aux Quat’Saisons ein Hotel mit Zwei-Sterne-Restaurant betreibt. Bei dort stattfindenden Veranstaltungen wird stets ein Neun-Gänge-Menü serviert. Vor dem Dinner werden die Gäste eingeladen, die nahegelegene, im 11. Jahrhundert errichtete Saint Mary’s Church zu besuchen, um dort einem Konzert mit Live-Musik beizuwohnen. Letztes Jahr trat dort Madeleine Peyroux mit ihrem Trio auf. Und war von der Atmosphäre und Akustik so begeistert, dass sie mit ihrem Toningenieur gleich beschloss, für Albumaufnahmen wiederzukehren.
Ein paar Monate später buchte Peyroux die Kirche, die über 200 Sitzplätze verfügt, für drei Tage. Der erste Tag wurde für den Bühnenaufbau und den Soundcheck reserviert, am zweiten gab sie ein Gratis-Konzert für die Dorfbewohner, das mitgeschnitten wurde, und am dritten wurden schließlich noch einmal zusätzliche Aufnahmen ohne Publikum gemacht. “Es hat mir wahnsinnig Spaß gemacht, dort mit Jon und Barak zu spielen, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Chemie zwischen uns so großartig ist”, sagt Peyroux. “Die Aufnahmen spiegeln die organische Art wider, wie wir als Trio an den Arrangements dieser Songs zusammenarbeiten.”
Die zehn Songs des Albums bieten dem Hörer nun eine unkonventionelle Mischung aus Funk, Blues und Jazz, die noch unkonventioneller und vollkommen entspannt dargeboten wird. Interpretiert werden neben den eingangs erwähnten Nummern noch Stücke von bahnbrechenden Blueskünstlern (zwei aus der Feder von Willie Dixon und eines von Lil Green), der Gospelsängerin Sister Rosetta Tharpe, zeitgenössischeren Komponisten wie Tom Waits und Townes Van Zandt sowie Stephen Foster, dem Urvater aller amerikanischen Songwriter.