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Ode an den Fauxpas – neues Madeleine-Peyroux-Album

Mit ihrem neuen Studio-Album “Anthem” schwimmt Sängerin und Songschreiberin Madeleine Peyroux mal wieder gegen den Strom.
Madeleine Peyroux - Anthem
Madeleine Peyroux - AnthemYann Orhan
29.08.2018
Es ist schon fast eine alte Tradition: auch mit ihrem achten Album gelingt es Madeleine Peyroux wieder, eine Stimmung von Nach-Hause-kommen zu schaffen, Ruhepole zu setzen und gleichzeitig den Hörer aufzuwecken und zum selbstständigen Denken anzuregen. Schon nach den ersten Takten des ersten Titels hat sie wieder diese einmalige Madeleine-Peyroux-Aura geschaffen, mit der sie bereits vor 14 Jahren die Musikszene bezauberte. Ihr Debütalbum “Careless Love” wurde daraufhin in Deutschland mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet.
In Zeiten globaler Hysterie schwimmt die Sängerin und Songschreiberin mit “Anthem” jetzt erneut erfrischend gegen den Strom. Ohne diesmal Coverversionen zu interpretieren, entführt sie den Hörer wieder in die Klangwelten von Billie Holiday und Joni Mitchell, in den Kosmos ihres Idols Leonard Cohen (Autor des Titelsongs von “Anthem”, der diesmal einzigen Fremdkomposition), von Nick Drake, Neil Young und Stevie Wonder. Ihre schillernden Geschichten erzählen von Menschen, die sich den Herausforderungen des Lebens auf vielfältige Weise stellen. Man fühlt sich beim Hören an die Kurzfilme von Jim Jarmusch erinnert.
Als Larry Klein ihr Leonard Cohens Song “Anthem” vorspielte, sei sie wie elektrisiert gewesen, erklärt Peyroux, der Song habe sie nicht mehr losgelassen. Philosophisch und tiefgründig spricht Cohen dort von der Imperfektion der Dinge, der Ideen, ja von allem, was man so macht. Überall gebe es eine Macke, einen Fehler, einen Bruch, einen Riss – aber genau dadurch scheine das Licht. In anderen Worten: Die unvermeidliche Fehlerhaftigkeit unserer gemachten, gedachten Welt helfe den Menschen bei ihrer Erleuchtung, führe sie zur Demut und innerem Wachstum. Ein perfekter Song für Madeleine Peyroux, die (wie Cohen) dabei gar nicht predigend oder sonstwie gutmenschlich ist, sondern einfach nur sie selbst.
Das Aufregende an “Anthem” sei für sie gewesen, das Album nicht wie sonst allein im stillen Kämmerlein zu schreiben, sondern von Anfang an mit einigen der Vollblutmusiker, die ihren Werdegang begleitet haben, direkt im Studio, mit den Instrumenten im Anschlag. Beteiligt waren der Pianist und Komponist/Arrangeur Patrick Warren, der begnadete Rhythmus-Gitarrist David Baerwald, der Drummer Brian MacLeod und last-but-not-least der Bassist und Produzent Larry Klein, ein Americana-Urgestein und alter Weggefährte. Klein betreute bereits die Peyroux-Alben “Careless Love” “Half The Perfect World” und “Bare Bones”. Musikalisch schreitet das Quintett durch akustischen Jazz und rootsige Americana, lässt den 1960er-Beat der Kinks aufleben und liefert mit “We Might As Well Dance” eine erhebende Pop-Hymne. 
Rund zehn Jahre nach Veröffentlichung von “Bare Bones” – ihrem letzten Album mit Originalmaterial – zeigt sich Peyroux auf “Anthem” künstlerisch gereift, klug und eloquent, freundlich, mit Tiefgang im Angesicht turbulenter Veränderungen. Im Vorfeld hat die US-amerikanische Presse das neue Album bereits gewürdigt: Downbeat stellte seine subtile Machart heraus, in der jede Performance den Nagel auf den Kopf treffe, beschrieb “Anthem” als faszinierend verspielt, voller Überraschungen. Musikkritiker Seth Cohen nannte die ehemalige Straßenmusikerin eine große Geschichtenerzählerin.
Es ist ein wenig, als transportiere “Anthem” den Hörer in ein Musikaliengeschäft der 1950er-Jahre, in dem es nach Holz riecht, in dem eine polierte Steel-Guitar herumsteht und in der Ecke eine monumentale Hammond-B3-Orgel. Flanierende Gibson-Les-Paul-Gitarren treffen auf weinende Wurlitzer, Mariachi-Trompeten unterhalten sich mit einem herumnäselnden Baritonsaxophon, dazu flötet eine Mundharmonika. Peyroux selbst ist an der Guilele, einer sechssaitigen Kreuzung aus Bariton-Ukulele und klassischer Gitarre zu hören. Handgemacht? So gut wie. Retro indes, ist ihre Sache hier nicht. Geschickt streut Peyroux moderne, elektronisch nachbearbeitete Sounds in ihre neuen Songs ein, legt einmal einen subtilen, psychedelischen Hall auf ihre Stimme, was “Anthem” Nuancen von Nu-Folk und Trip Hop verleiht, das Album zu einer Hymne des Jahres 2018 macht. Ihre neuen Songs singt die 43-Jährige dabei so emotional und empathisch, so offen, dass genug Platz bleibt für Ironie und Pathos, stellenweise auch wieder für den berühmten Peyroux’schen Sarkasmus: das Salz in der Suppe. Großartig.
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