Seit er vor zwanzig Jahren als Mitglied der experimentellen Band Jaga Jazzist auf der Szene auftauchte, hat sich Mathias Eick zu einem der profiliertesten Solisten der norwegischen Jazzszene entwickelt. Mit seinem wehmütigen Trompetenklang und seinen zutiefst melodischen Kompositionen erntet er mittlerweile in der ganzen Welt große Anerkennung. Als er 2008 mit “The Door” sein Solodebüt bei ECM herausbrachte, beschrieb Steve Greenlee den Ton des Trompeters in der JazzTimes als “elegisch und sparsam”. Gleichzeitig betonte er aber auch, dass bei Eick “wie bei allen guten Bandleadern der Fokus auf dem Zusammenspiel seiner Musiker liegt. Der Kontrast zwischen seiner eigenen Zurückhaltung und der ihn umgebenden Energie macht die treibende Spannung des Albums aus.”
Im Laufe der Jahre hat Eick seine Herangehensweise an beiden Fronten, als Solist und Ensembleleiter, fokussiert und verstärkt. Dabei passte er die Konzepte für die Band an die Erfordernisse des jeweilgen Projekts an sowie an das, was der britische Guardian einmal als “ein filmisches Interesse am musikalischen Geschichtenerzählen” beschrieben hat. Auf seinem 2011 erschienenen zweiten ECM Album “Skala” arbeitete er erstmals mit zwei Schlagzeugern zusammen. Mittlerweile ist das Spiel mit zwei Drummern so etwas wie ein Markenzeichen für ihn geworden. Auf seinem dritten ECM-Album “Midwest” (2014), einer Meditation über die Reise der norwegischen Musik nach Nordamerika, führte er die Violine in den Ensembleklang ein und zusammen mit ihr Farben und Texturen aus der Volksmusik. Auf “Ravensburg” (2017) rückte Eick seine eigene Biografie in den Vordergrund, indem er einen liebevollen Blick auf seine norwegischen und süddeutschen Familienwurzeln warf. Mit dem Ensemble, das auf “Ravensburg” zu hören war, hat Eick nun auch sein neues Album “When We Leave” eingespielt. Ergänzt wird es diesmal nur durch den Pedal-Steel-Gitarristen Stian Carstensen, der an der Seite von Eick zuletzt bei einigen Stücken von “The Door” zu hören war.
Mathias Eick betrachtet “When We Leave” als “natürliche Fortsetzung von 'Ravensburg’, fast schon ein 'Ravensburg 2’. Mehr von allem.” Während das Vorgängeralbum Porträts von Freunden und Familie zeichnete und einige persönliche Interaktionen skizzierte, folgt das neue Album seinen Protagonisten durch ein turbulentes Jahr. Aus dem Zusammenspiel von Titeln und musikalischer Atmosphäre lässt sich eine Art Geschichte ableiten: “Die Songs und Titel auf 'When We Leave’ spielen aufeinander an, lassen sich voneinander inspirieren.”
Eicks Band hat inzwischen immer mehr an Selbstvertrauen und Bandbreite gewonnen. Der Geiger Håkon Aase, der zunehmend als einer der herausragenden Improvisatoren seiner Generation anerkannt wird (bei ECM ist er auch auf zwei Alben von Thomas Strønens Band Time Is A Blind Guide zu hören), ergänzt die Soli des Bandleaders mit Linien, die sowohl auf Folk-Traditionen als auch auf Jazz zurückgreifen. Geheimnisvoll ist die Art und Weise, wie sich die Geige in das delikate Anschwellen von Stian Carstensens Pedal-Steel-Gitarre lehnt. “Stians Harmonieteppich verleiht dem Ganzen eine gewisse Tiefe”, meint Eick, “und in der Kombination mit der Geige wird so ein besonderer Klang erzeugt. Ich suche immer nach Klängen, die einzigartig sind und aus der Zeit herausragen.”
Der kraftvolle Schlagzeuger Torstein Lofthus tummelt sich im Pop-Umfeld ebenso behände herum wie in der Free-Jazz-Szene (u.a. spielte er bei Sessions mit dem im April verstorbenen US-Saxophonisten Sonny Simmons zusammen). Einen Namen machte er sich auch als Mitglied der abenteuerlustigen Rockgruppe Elephant9. Als “Ravensburg” veröffentlicht wurde, begründete Eick seine Entscheidung, einen zweiten Schlagzeuger in die Band zu holen, folgendermaßen: “Ich habe nicht versucht, das Schlagzeugspiel wuchtiger oder lauter klingen zu lassen, sondern wollte mehr Dreidimensionalität. Durch viele Interaktionen und Schattierungen.Tatsächlich ähnelt das, was im Rhythmus-Bereich passiert, sehr dem, was zwischen Håkon und mir abläuft, wo wir vergleichbare Schattierungen, Konversationen und Call-and–Response haben.” Der zweite Schlagzeuger Helge Andreas Norbakken vertieft sich in die Texturen der Musik, indem er den Rhythmus kreativ detailliert und frei mit Klängen arbeitet. So wie er es zuvor auch schon bei ECM-Aufnahmen mit dem “Siwan”-Projekt von Jon Balke und Amina Alaoui, beim Perkussionsensemble Batagraf, auf Jon Hassells “Last Night The Moon....” sowie Mathias Eicks “Midwest” getan hat.
Der bestechend lyrische Pianist Andreas Ulvo lässt sich gerne von der klassischen Musik inspirieren. In seinen eigenen Projekten verbindet er Werke von Erik Satie und Joaquín Rodrigo mit freiem Spiel und greift auf eine breite Palette von Idiomen zurück. In jüngster Zeit arbeitet er mit der Schweizer Harfenistin Giovana Pessi an einem neuen Projekt, das bei ECM erscheinen wird. Parallel ist er auch als Fotograf tätig und hat unter anderem Bilder zu den Alben des Improvisationsensembles Dans les Arbres und von Giovanna Pessi und Susanna Wallumrød beigetragen.
Für den besonderen Groove von Mathias Eicks Band zeichnet der Bassist Audun Erlien verantwortlich, der schon seit der Aufnahme von “The Door” nicht von der Seite des Trompeters gewichen ist. Er kann auf jahrelange Erfahrungen in der Soul- und Funkszene zurückblicken und war bei ECM u.a. auf Nils Petter Molværs “Solid Ether” zu hören.