McCoy Tyner | News | Entfesselte Naturgewalten – unveröffentlichte Live-Perle

Entfesselte Naturgewalten – unveröffentlichte Live-Perle

Auf “Forces of Nature”, einer bislang unveröffentlichten Live-Aufnahme aus dem Jahr 1966, brennen McCoy Tyner, Joe Henderson, Jack DeJohnette und Henry Grimes ein musikalisches Feuerwerk ab.
McCoy Tyner & Joe Henderson "Forces of Nature (Live At Slugs)"
McCoy Tyner & Joe Henderson "Forces of Nature (Live At Slugs)"
20.11.2024
Das Album auf CD und LP finden Sie in unserem JazzEcho-Store
Es ist immer wieder verwunderlich, was für Jazz-Schätze oft viele Jahrzehnte lang in privaten Tonarchiven schlummern und auf ihre Veröffentlichung warten. “Forces Of Nature – Live At Slugs”, ein – manchmal in wörtlichem Sinne – schier atemberaubender 85-minütiger Live-Mitschnitt aus dem Jahr 1966, fällt definitiv in diese Kategorie. Auf dieser Aufnahme hören wir vier legendäre Jazzmeister in Höchstform: Pianist McCoy Tyner, Tenorsaxofonist Joe Henderson, Bassist Henry Grimes und der noch junge Schlagzeuger Jack DeJohnette. Annährend sechs Jahrzehnte nachdem dieser Konzert-Mitschnitt entstand, erscheint er nun bei Blue Note als Doppel-Vinylalbum, auf CD und natürlich digital.
“Forces of Nature – Live At Slugs” beginnt mit einer wahren Tour de Force: einer geradezu epischen, in irrwitzigem Tempo gespielten Version von “In ‘N Out”, dem Titelstück eines zwei Jahre zuvor erschienenen Soloalbums von Joe Henderson. Angetrieben von einem hochgradig explosiven Jack DeJohnette am Schlagzeug und dem flinken Henry Grimes am Bass drehen erst Henderson und dann McCoy Tyner das Stück von innen nach außen, von links nach rechts und wieder zurück. Fast 27 Minuten lang gönnen die vier Musiker sich und dem Publikum keine Verschnaufpause. Die kommt erst nach dem Opener in Form der wunderschönen Ballade “We’ll Be Together Again”, die zwar genauso einfallsreich und abenteuerlich, aber deutlich entspannter interpretiert wird.
Gleich darauf hebt das Quartett mit dem kollektiv improvisierten Blues “Taking Off” erneut in schwindelerregende Höhen ab und scheint sich in 28 Minuten einen Wettlauf mit der Zeit liefern zu wollen. Fast so, als spielten sie um ihr Leben. Mit “The Believer”, einem Blues Waltz, den McCoy Tyner im Alter von 16 Jahren schrieb (John Coltrane nahm die Nummer 1958 als Erster auf), kehren sie in ruhigere Gefilde zurück. Mit DeJohnette und Grimes verlässlich im Rücken ist es ein perfektes Vehikel für Henderson und Tyner, um modales Terrain zu erkunden. Den Abschluss bildet “Isotope”, eine weitere bekannte Komposition Hendersons, die der Tenorsaxofonist als Hommage an Thelonious Monk und dessen musikalischen Humor schrieb.
Mitgeschnitten wurden diese erstaunlichen Aufnahmen 1966 in dem ehemaligen New Yorker Jazzheiligtum Slugs’ Saloon von Toningenieur Orville O’Brien. O’Brien zeichnete damals für eine Reihe wichtiger Live-Aufnahmen verantwortlich: darunter Alice Coltranes “Journey To Satchidananda”, Freddie Hubbards “The Night Of The Cookers”, Ornette Colemans “Friends And Neighbors” und Charles Tollivers “Music Inc.”. Seit 1966 befanden sich Kopien der verschollenen Originalbänder in Jack DeJohnettes persönlichem Archiv. Nun erblicken die Aufnahmen zum ersten Mal das Licht der Welt.
Sowohl der Doppel-LP als auch der CD liegt ein sehr umfangreiches Booklet bei, das neben erhellenden Liner Notes des Jazzkritikers Nate Chinen sowie der Produzenten Zev Feldman und Don Was auch Fotos von Francis Wolff, Raymond Ross und Robert Polillo enthält. Abgerundet wird das Paket durch Interviews und Statements von Jason Moran, Joe Lovano, Joshua Redman, Christian McBride, Nasheet Waits und Terri Lyne Carrington.