Komfortabel zwischen allen Stühlen und Stilen: Musik von Außenseitern für Außenseiter
Mit ihrem neuen Album “Pray For Me I Don’t Fit In” geben Melt Yourself Down ein ebenso selbstbewusstes wie druckvolles Bekenntnis zur musikalischen Nonkonformität ab.
Melt Yourself Down - Pray For Me I Don't Fit In
24.02.2022
Diese LP und weitere finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
“Ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich gänzlich ungeniert”, besagt eine deutsche Lebensweisheit. Zu diesem Schluss ist jüngst wohl auch die britische Band Melt Yourself Down gekommen. Nicht dass Melt Yourself Down einen miserablen Ruf haben oder je gehabt hätten. Ganz im Gegenteil. Seit ihrer Gründung vor zehn Jahren, hat sich die Band um Saxofonist Pete Wareham und Leadsänger Kushal Gaya unbeirrt aus dem Londoner Musik-Untergrund in die internationalen Schlagzeilen hochgespielt. Nur in eine stilistische Schublade ließ sie sich in all diesen Jahren nie pressen. Nicht in die des Jazz, nicht in die des Punk und auch nicht in die irgendeiner sogenannten Weltmusik – weder einer realen noch einer imaginären. Von Anfang an saßen sie zwischen allen Stühlen und Stilen. Doch nie so selbstbewusst und kraftstrotzend wie auf ihrem vierten Studioalbum “Pray For Me I Don’t Fit In”. Melt Yourself zeigen hier, dass sie sich in ihrer eigenwilligen Nische wohler denn je fühlen und es ihnen mittlerweile – Pardon my French! – so ziemlich am Arsch vorbeigeht, wenn sie nicht in konventionelle Kategorien eingeordnet werden können.
“Wir passen einfach in kein Schema”, erklärt Pete Wareham. “Das haben wir viel zu lange als ein Problem betrachtet, denn Poesie und Kunst machen sich Muster zunutze. Jetzt sehen wir ein, dass wir einfach nur das sind, was wir sind. Und wenn das nicht passt, dann ist es eben so. Ich habe mich nie ganz zu Hause gefühlt, nirgendwo, manchmal nicht einmal in meinem eigenen Kopf. Wir haben die Musik als unser Zuhause erschaffen. Und mit ihr wollen wir all jene ansprechen, die so wie wir das Gefühl haben, außen vor zu stehen..”
“Pray For Me I Don’t Fit In” ist ein Album von Außenseitern für Außenseiter. Aber von denen gibt es, wie 2020 der Erfolg des Vorgängeralbums “100% Yes” gezeigt hat, offenbar sehr viel mehr als man denkt. Nachdem die Band sich nun damit abgefunden hat, dass sie sowieso durch alle Raster fällt, schöpft sie unbekümmerter denn je aus der flirrenden Vielzahl ihrer Einflüsse. Angepeitscht vom röhrend-rotzigen Tenorsax Pete Warehams, dessen druckvolle Hooks den satten Bläsersätzen der Jazz-, Soul- und Rock’n'Roll-Ära der späten 60er und frühen 70er Jahre Tribut zollen, versteigt sich die Band mit Elan in pentantonische Skalen afrikanischer Herkunft, die mit zum Tanzen animierenden Rhythmen des raubeinigen Rock und Punk der 70er Jahre kombiniert werden. Der aus Mauritius stammende Vokalist Kushal Gaya feiert freudig seine Multikulturalität und Vielseitigkeit – klanglich, sprachlich und emotional – und setzt dabei außerdem auf lyrische Tiefe. Aufgenommen und produziert wurde das Album von Ben Hillier (Blur, Depeche Mode & Nadine Shah), der, in der für ihn typischen Art, dem knalligen Sound von Melt Yourself Down musikalische Klangtiefe und dunklen Drive verleiht.
Im Guardian attestierte der leitende Rock- und Popkritiker Alexis Petridis Melt Yousrself Down, dass die Band ihre “ambitionierten Jazz-Visionen mitreißend umgesetzt” hat, und schrieb: “Diese faszinierende Band schien einst fast zu eklektisch zu sein – aber jetzt treiben starke Melodien und Hooks ein Album an, das sich ganz und gar dem Moment verpflichtet fühlt.”