Los Angeles probt mal wieder den musikalischen Aufstand. Aber diesmal wird er nicht von Gangsta-Rappern aus Compton oder Funk-Metal-Crossover-Bands angeführt, sondern von den Musikern eines Jazzkollektivs, das den Namen The West Coast Get Down (kurz: WCGD) trägt. Seit der Saxophonist Kamasi Washington 2015 mit seinem Album “The Epic” das Eis brach, wurden die Musiker dieser Band aus dem lokalen Underground, in dem sie seit ihrer Highschool-Zeit zusammen gewirkt hatten, plötzlich ins Rampenlicht der Welt katapultiert. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte dabei sicher auch, dass etliche Bandmitglieder zudem an der Einspielung von Kendrick Lamars hymnisch gefeiertem Album “To Pimp A Butterfly” beteiligt waren. Einer der Musiker, die diesen musikalischen Aufstand in Los Angeles anführen, ist der Bassist Miles Mosley, der sein Handwerk u.a. bei Jazzlegenden wie Ray Brown, Al McKibbon und John Clayton lernte. Mit seinem fulminanten Verve-Debütalbum “Uprising” setzt er sich nun eindrucksvoll in Szene und gibt zugleich auch Anlass zur Hoffnung, dass bei dem traditionsreichen Label nach Jahren weitgehender Flaute wieder ein frischerer Wind wehen wird.
“Es scheint passend zu sein, dass die neue Aufmerksamkeit, die unser Sound erhält, und der Effekt, den wir auf verschiedene Genres haben können, wie unser eigener Aufstand wirkt. Dies ist mein Teil unserer Geschichte”, sagt Miles Mosley über “Uprising”. “Ich wollte ein Werk erschaffen, das natürlich und intim ist, aber trotzdem einen Sinn für Grandeur bewahrt. Als wenn man bestens mit einem Riesen befreundet ist. Die West-Coast-Get-Down-Posse, die Streicher, der Chor. All diese Elemente fügen sich hier zu etwas mit einprägsamen Melodien zusammen und übermitteln den Leuten die Botschaft, dass wir für sie hier sind. Wir sind und wollen der Lautsprecher ihrer Herzen sein.”
Der hochgewachsene Kontrabassist und Sänger hat seine flinken Finger bei so ziemlich allem im Spiel, was die wirklich kreative Musikszene von Los Angeles in der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart hervorgebracht hat. Und wie seine Kollegen von West Coast Get Down zeigt er dabei keinerlei Berührungsängste. In den letzten zehn Jahren arbeitete er mit so unterschiedlichen Künstlern wie dem gestern überraschend verstorbenen Chris Cornell (Soundgarden), Jonathan Davis (Korn), Everlast, Avenger Sevenfold, Joni Mitchell, Lauryn Hill, Gnarls Barkley, Mos Def, Andra Day, Jeff Beck, Common, Rihanna, Jason Mraz und Christina Aguilera zusammen. Sein einzigartiger Stil brachte ihm einen kuriosen Ruf ein; immer wieder heißt es: So hätte Jimi Hendrix wohl geklungen, wenn er in der Band von Prince Akustikbass gespielt hätte.
Auf “Uprising” schöpft Miles Mosley stilistisch aus dem Vollen, bedient sich gleichermaßen bei Jazz, Funk, Rock, Rhythm’n'Blues, Soul, Gospel… Und mit Songs wie “Abraham” oder “Young Lion” beweist er außerdem ein gutes Händchen für eingängige Melodien. Dass dieses Werk trotz all seiner Vielseitigkeit wie aus einem Guss wirkt, liegt nicht zuletzt daran, dass dem Bassisten bei der Aufnahme seine eingespielten WCGD-Kollegen zur Seite standen: die Saxophonisten Kamasi Washington und Zane Musa (der leider mittlerweile verstorben ist), Trompeter Dontae Winslow, Posaunist Ryan Porter, Keyboarder Brandon Coleman, Pianist Cameron Graves und Schlagzeuger Tony Austin. Die neue “florierende Jazzszene von Los Angeles” (New York Times), so viel ist nach diesem Album klar, sollte man tunlichst nicht aus dem Auge und Ohr verlieren. Denn da kommt sicherlich noch mehr!