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Neu gefundene Freiheit

Sieben Jahre nach seinem ECM-Debüt “Travelers” kehrt das Quartett des Schweizer Saxofonisten Nicolas Masson mit dem Album “Renaissance” zu dem Label zurück. Musikalisch und schlägt dabei musikalisch ein neues Kapitel auf.
Nicholas Masson
Nicholas Masson(c)v Alex Troesch
10.03.2025
Die Bekanntschaft zwischen Nicolas Masson und seinen Quartettkollegen Colin Vallon, Patrice Moret und Lionel Friedli reicht inzwischen rund zwei Jahrzehnte zurück. In dieser Zeit haben die vier Protagonisten eine beeindruckende musikalische Intimität entwickelt, die auf “Renaissance”, dem zweiten ECM-Album der Band nach “Travelers” von 2018, auf authentische und besonders schöne Weise zum Ausdruck kommt. Im Mittelpunkt des Albums, das zehn neue Eigenkompositionen des Schweizer Saxofonisten und eine kollektive Improvisation enthält, stehen kontrastierende Stimmungen und Formen. “Renaissance” zeigt den risikofreudigen Leader, wie er im stimmungsvollen Zusammenspiel mit seinen Kollegen seine kompositorischen Muskeln spielen lässt.
“Dies ist ein besonderes Album für mich”, sagt Masson, “es ist mein zehntes als Leader oder Co-Leader. Ich habe es aus mehreren Gründen ‘Renaissance’ genannt – unter anderem, weil ich das Gefühl habe, dass dies der Beginn von etwas Neuem in meinem künstlerischen Schaffen ist – eine Art persönliche Wiedergeburt, wenn man so will. Und glücklicherweise hat sich die Musik genau so entwickelt, wie ich es mir am Anfang vorgestellt hatte.”
Auf All About Jazz kürte im vergangenen Jahr verstorbene John Kelman das Vorgängeralbum zu einer der besten Veröffentlichungen des Jahres 2018 und schrieb: “‘Travelers’ ist sowohl ein weiteres potenzielles modernes Meisterwerk für das Label als auch das Album, das gerechterweise  international die gleiche Aufmerksamkeit erhalten sollte, die Masson und seine Bandkollegen in ihrer Schweizer Heimat bereits so verdientermaßen genießen.” Auf “Renaissance” hält die Band, was sie auf “Travelers” versprochen hat. Gleichzeitig werden die formalen Strukturen der früheren Kompositionen Massons erweitert, was dem Quartett mehr Freiheit im Zusammenspiel gibt und die facettenreiche idiomatische Bandbreite des Leaders unterstreicht.
In Rubato-Stücken wie dem expressiven “Tremolo” oder dem atmosphärischen “Tumbleweeds” folgt das Quartett seinem Forschergeist, während es in eher kopflastigen Nummern wie dem Titelstück “Renaissance” mit fast schon mathematischer Präzision zu spielen scheint, ohne dabei den lyrischen Charakter der Musik aus den Augen zu verlieren. Besonders schön zur Geltung kommt dies in “Anemona”.
Die Strukturen wirken hier lockerer, spontaner als auf “Travelers” – was Masson darauf zurückführt, dass er kürzlich “einige meiner ersten Inspirationen als Musiker wiederentdeckt habe, als ich mich mehr mit freieren Jazzformen beschäftigte. Gerade wenn ich mit den Musikern dieses Quartetts spiele, merke ich, wie bereichernd und faszinierend es ist, einfach ein bisschen mehr loszulassen und sich auf unsere Interaktion zu konzentrieren. Ich habe meine Art zu komponieren geändert, um mehr von dieser Freiheit einzubringen. Das ist es, was eine Band so besonders macht – die Interaktion, nicht so sehr die Komposition.”
Ein geradliniger Drumbeat gepaart mit einer klar konturierten Melodie führt “Subversive Dreamers” in die melodischen Gefilde die an Art-Rock erinnern, während das Rubato-Stück “Forever Gone” wieder die innere Gruppendynamik in den Vordergrund stellt. Dass klassische Songwriter wie Bob Dylan, Neil Young oder Joni Mitchell Nicolas Masson ebenso inspirieren wie sein Idol Paul Motian, würde man nicht unbedingt erwarten – zu seinen wichtigeren musikalischen Einflüssen zählt der Saxofonist außerdem die französischen Impressionisten Claude Debussy und Maurice Ravel. Dieses umfangreiche Geflecht an Referenzen erklärt auch die große Vielfalt an Stimmungen, die “Renaissance” ausmachen.
In “Practicing The Unknown” durchstreift das Quartett eine verträumte Klanglandschaft, während Colin Vallons sparsame Tastenanschläge im geheimnisvollen “Spirits” eine fast perkussive Qualität annehmen. Colin und Nicolas, die scheinbar die Gedanken des jeweils anderen lesen können, haben auf dem gesamten Album eine ganz besondere Beziehung zueinander, die für die Vertrautheit steht, die die Band in den letzten zwanzig Jahren aufgebaut hat (“Unsere Familien grillen zusammen”, erklärt Nicolas mit einem breiten Grinsen).
Moving On” gehört ganz Patrice Moret und Nicolas Masson. Der Bassist und der Saxofonist tauschen sich in diesem kurzen, aber prägnanten Duo-Intermezzo lyrisch aus. Für “Basel” wechselt Masson vom Tenor- zum Sopransaxofon, auf dem er mit einem melancholischen, aber warmen Ton spielt Das Programm schließt mit “Langsam”, einem leisen kammermusikalischen Stück, das wie ein Plädoyer für Geduld wirkt. Dies wird durch eine Reihe von Spielpausen (Fermaten), die das Quartett hier gemeinsam einlegt, treffend illustriert.