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Nicolas Masson – Klangreise in ein “Paralleluniversum”

Auf “Travelers” präsentiert sich der Saxophonist und Klarinettist Nicolas Masson bei ECM erstmals mit dem Quartett, mit dem er schon seit zwölf Jahren zusammenspielt.
Nicolas Masson
Nicolas MassonD. Vass / ECM Records
15.02.2018
Nach zwei vielbeachteten ECM-Alben mit dem kooperativen Trio Third Reel stellt der Schweizer Holzbläser Nicolas Masson nun auf dem Album “Travelers” sein eigenes Quartett mit Colin Vallon, Patrice Moret und Lionel Friedli vor. Die Band, die auch unter dem Namen Nicolas Masson’s Parallels auftritt, besteht bereits seit zwölf Jahren in derselben Besetzung. Was sich in all diesen Jahren stets geändert hat, sind die musikalischen Einflüsse und Prioritäten des Quartetts. Die Band, betont Masson, ist zunächst einmal eine Gruppe von Freunden. Zwar stammen alle Kompositionen aus der Feder Massons, aber er sagt: “Das Besondere an der Band ist, glaube ich, die Alchemie zwischen uns Vieren, das, was passiert, wenn wir zusammen spielen.”
Deshalb versucht Masson beim Komponieren für die Gruppe auch nicht, sich selbst in den Vordergrund zu rücken. Er bemüht sich vielmehr, seine Mitspieler stets zu eigenen kreativen Reflexionen und Antworten anzuregen. “Wenn ich für das Quartett schreibe, dann habe ich die Möglichkeit, eine sehr einfache Melodie als einzigartigen Ausgangspunkt für Improvisationen zu wählen oder uns über komplexere rhythmische, harmonische und kontrapunktische Strukturen spielen zu lassen.”
Charakteristisch ist für die Formation, dass mindestens zwei der Quartett-Mitglieder zu jedem beliebigen Zeitpunkt an der kompositorischen Struktur festhalten, während die anderen frei umherstreifen oder auf Entdeckungsreise gehen können. Deshalb spielen Pianist Colin Vallon und Bassist Patrice Moret hier auch ganz anders als man es von ihren ECM-Aufnahmen mit dem Colin Vallon Trio oder Elina Dunis Band gewohnt ist. Massons Konzept provoziert mehr solistische Aktivität, und es ist ein ganz besonderes Vergnügen – so wie in dem Titelstück – das Wechselspiel zwischen Saxophon und Klavier zu verfolgen. Inmitten der sich ändernden Klanglandschaften, in denen sich diese vier Reisegefährten bewegen, besticht Pianist Colin Vallon mit wunderbaren balladesken Formulierungen, Patrice Moret mit seinem ebenso farbenreichen wie melodischen Bassspiel und Schlagzeuger Lionel Friedli mit besonders subtilen Einwürfen. Hervorragend in Szene setzt sich natürlich auch Masson selbst mit seinem schlank klingenden Saxophon und seiner eleganten Klarinette.
Zwölf Jahre sind im Leben einer improvisierenden Gruppe natürlich eine lange Zeit und vieles hat sich in ihrem Verlauf verändert. Als Nicolas Masson die Band gründete, waren Tim Bernes Kompositionen eine seiner Inspirationsquellen. Beeinflusst wurde er aber auch von Ideen aus der Rockmusik. Und das Miles Davis  Quintet der sechziger Jahre diente ihm als optimales Modell für eine ausgewogene Mischung aus Improvisation und Komposition. In den frühen Jahren, als die Musik der Gruppe noch grooviger und ostinato-getriebener war, spielte Vallon in dieser Besetzung ausschließlich Fender Rhodes und die Texturen waren dicker und schwerer (wie man auf dem Album “Thirty Six Ghosts” von 2009 nachhören kann). Den kompositorischen Feinschliff holte sich Masson nach und nach bei anderen Projekten, die er parallel unterhielt: etwa in dem Quartett mit dem Gitarristen Ben Monder, Patrice Moret und Schlagzeuger Ted Poor oder dem bereits genannten Trio Third Reel. “Die Aufnahme der beiden ECM-Alben mit Third Reel inspirierte mich, viel über musikalischen Ausdruck und Ästhetik nachzudenken. Ich habe versucht, einen Weg zu finden, meine Kompositionen zu vereinfachen oder klarer zu gestalten, um auf einer tieferen Ebene kommunizieren zu können.”
Lange Zeit interessierte sich Masson nur für zeitgenössische Kompositionen. Zuletzt aber führte ihn die Suche nach lyrischer Inspiration und formalen Konzepten dazu, verstärkt auch frühere Musik der klassischen Tradition, einschließlich Barockmusik, zu hören. “Ich suchte nach einem singbareren, melodischeren Ansatz, und die Opern und Arien von Händel, Telemann und Purcell halfen mir dabei, meinen Zugang zum Saxophonspiel zu erneuern und boten mir auch beim Schreiben neue Inspiration. Ich hörte außerdem etwas Organischeres und Natürlicheres.”
Daher auch der Wechsel zu akustischen Instrumenten.