Das Wort “Hamada” (oder auch “Hammada”) stammt aus der arabischen Sprache und bedeutet “abgestorben”, “leblos”, “erstarrt”, “erloschen”. Verwendet wird es als geologischer Fachbegriff für eine Fels- und Steinwüste, die nicht oder nur geringfügig mit Sand oder Kieseln gefüllt ist. Stattdessen ist die Oberfläche dieser Wüstenart dicht mit kantigen Fels- und Steinsplittern übersät, die sich als Ergebnis der physikalischen Verwitterung und der Auswehung des Feinmaterials angesammelt haben. Mit einem Fahrzeug oder Dromedaren eine Hamada zu durchqueren, ist beinahe unmöglich. Die wohl bekannteste Wüste der Welt, die Sahara, besteht zu siebzig Prozent aus Hamada. Aufgrund des felsigen Untergrunds besitzt eine Hamada kaum Wasserreseven. Wenn es in den Wadis (zeitweilig ausgetrockneten Flußläufen) regnet, dann verwandelt der wasserundurchlässige Boden den Regenfall in reißende Ströme, die man nur unter Lebensgefahr durchqueren kann. Obwohl Hamadas extrem lebensfeindliche Gebiete sind und dort nur sehr wenige Holz- und Distelgewächse überleben können, bergen sie dennoch eine atemberaubende Schönheit und so manchen Reiz.
Mit etwas Phantasie könnte man nun natürlich den Titel des neuen Albums von Nils Petter Molvær zum Anlaß nehmen, seine Songs mit den Charakteristika einer Hamada zu vergleichen und in ihnen nach musikalischen Äquivalenten von felsigem Gestein, scharfkantigen Splittern, Trockenheit, Dürre, flirrender Hitze, Durst und Ertrinken zu suchen. Und wer suchet, der wird sicher auch fündig. Tatsache ist aber, daß Nils Petter Molvær den Titel einem Dokumentarfilm verdankt, den er vor einiger Zeit auf dem Kanal National Geographic sah. Dieser Film erzählte die Geschichte eines Eremiten, der eine solche Wüste durchquerte und sich nur von Eidechsen und Insekten ernährte. Dies wiederum inspirierte den norwegischen Trompeter dazu, den Album- wie auch die Songtitel dem Planten Erde und seinen Naturphänomenen und -wundern zu widmen.
“Hamada” ist mit Abstand das bedrohlichste und düsterste Album, das Nils Petter Molvær bisher aufgenommen hat. Seine Höhepunkte erreicht es in den beiden Titeln “Friction” und – nomen est omen! – “Cruel Altitude”, in denen Molvær und seine beiden Spielpartner Eivind Aarset (Gitarre) und Audun Kleive (Schlagzeug) die Pfade von Ambient Music, Electronica und Improvisation verlassen und die Axt hervorholen, um sich einen Weg durch den Dschungel des Indie- und 70er-Jahre-Progressive-Rock zu bahnen, bevor sie das Album schließlich mit einer versöhnlicheren Note ausklingen lassen.
Seit er in den späten 90er Jahren fast wie aus dem Nichts auf der Szene auftauchte und Kritiker wie Publikum mit seinem außergewöhnlichen ECM-Debütalbum “Khmer” (für das er 1998 den Jahrespreis der deutschen Schallplattenkritik erhielt) begeisterte, gilt Nils Petter Molvær als einer der der federführenden Innovatoren des europäischen Jazz. In seiner Musik verschmilzt er Jazzeinflüsse mit Elementen elektronischer Musik, Ambient-Klängen und House-Beats und entwirft einzigartige, dramatische Soundscapes von tiefer Intensität – diese sind mit ein Grund dafür, daß der Trompeter seit ein paar Jahren auch als Komponist für Film, Fernsehen und Werbung sehr gefragt ist. Der jüngste Film, für den Molvær die Musik schrieb und einspielte, war Andreas Strucks “Sleeping Songs – Schläft ein Lied in allen Dingen”. Der Film hatte Anfang des Jahres beim Berlinale-Filmfestival Premiere und wurde vom Publikum und den Kritikern gefeiert.
Auf “Hamada” präsentiert sich Nils Petter Molvær mit einem neuen, teilweise aggressiveren musikalischen Ansatz und zieht den Hörer in eine Welt orgiastischer Klänge, die fantastische Bilder in seinem Kopf entstehen lassen werden. Das Album wird am 17. April 2009 erscheinen. Danach werden Nils Petter Molvær, Eivind Aarset und Audun Kleive mit dem Programm auf eine ausgedehnte Tournee gehen.
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www.nilspettermolvaer.de