Kinematographische Qualitäten besaß die Musik des norwegischen Trompeters Nils Petter Molvær eigentlich schon immer. Beinahe automatisch lassen seine mal wehmütigen, mal schneidend scharfen Trompetenklänge, die er über einen Background von mitreißend-hypnotisierenden progressiven Jazz- und Drum’n'Bass-Elementen projiziert, Bilder im Kopf entstehen. Das haben in den letzten Jahren auch diverse Filmregisseure erkannt und Molvær deshalb immer wieder darum gebeten, Musik zu ihren Filmwerken zu komponieren und einzuspielen. Tätig wurde der Norweger bisher für Stig Andersens Roald-Amundsen-Biopic “Frosset Hertje” (Englischer Titel: “Frozen Heart”, 1999), den dramatischen französischen Thriller “Edy” von Stéphan Guérin-Tillié (2005) und den schwedischen Film “Hoppet” (deutscher Verleihtitel: “Der große Sprung ins Glück”, 2007) von Petter Næss. Auf seinem neuen Album “Re-Vision” veröffentlicht Nils Petter Molvær nun einige der Tracks, die er für diese drei Filme schrieb und aufnahm.
“Diese Musik im Kontext des Filmes zu hören ist eine Sache”, meint der Trompeter. “Eine ganz andere Erfahrung ist es, sie nun auf dieser CD zu hören.” Denn Filmmusik dient letztendlich nur dazu, im Hintergrund die Emotionen der Bilder zu verstärken – im Idealfall ist sie zwar allzeit präsent und bleibt dennoch nur im Schattenbereich. Da die Musik Molværs jedoch schon immer sehr “bildliche” Qualitäten besaß, funktioniert sie freilich auch hervorragend ohne die eigentlichen Bilder.
“Ich versuche stets, meine Musik persönlich zu gestalten”, meint Molvær. “Die Regisseure, die bisher an mich herangetreten sind, taten dies, weil sie meine Musik mögen, und sie bedienen sich meiner Songs, weil sie genau die Stimmungen transportieren, die sie erzeugen wollen. Aber natürlich ist der Film der eigentliche ‘Solist’. Deshalb bemühe ich mich, jeweils eine stimmige musikalische Atmosphäre und Effekte zu kreieren: mal soll die Musik interessant, traurig oder verärgert klingen, mal eine gute Stimmung erzeugen… und mal eine schlechte. Dies hängt vom Skript ab und von der Stimmung oder dem Gefühl, auf das der Regisseur (und manchmal auch der Produzent) aus ist. Ich persönlich ziehe es vor, mich darüber mit dem Regisseur zu unterhalten.”
Selbst ein passionierter Filmliebhaber, ist sich Molvær der Höhen und Tiefen des Komponierens von Filmmusik bewußt. “Wenn man Filmmusik schreibt, produziert man eine Menge überschüssiges Material. Manchmal hat man vierzig oder fünfzig Ideen, von denen hinterher nur vier oder fünf Verwendung finden.” Und mit einem Lachen fügt er an: “Aber ich hebe mir die meisten meiner Ideen für andere Zwecke auf.”
Zur Seite standen Nils Petter Molvær bei den Aufnahmen bewährte Partner wie Gitarrist Eivind Aarset, die beiden Keyboarder Anders Engen und Reidar Skår sowie Jan Bang mit seinen Beats und Soundscapes. Neu im Kreise dieser Musiker ist der seit 1981 in Berlin lebende kurdische Sänger, Schauspieler und Filmregisseur Nizamettin Aric, der dem Titel “Leaps And Bounds” eine aufregende orientalische Note gab.
In letzter Zeit hat Molvær für den deutschen Film “Hanna’s Words” eine Reihe von Stücken geschrieben, die er gemeinsam mit Gitarrist Eivind Aarset und Schlagzeuger Audun Kleive am 10. April bei einem exklusiven Konzert im Kölner Yard Club/Kantine präsentierte. Dieser Auftritt wurde von Regisseur Andreas Struck gefilmt, um in “Hanna’s Words” verwendet zu werden – wobei Molvær selbst dann natürlich durch Inserts des Hauptdarstellers Stefan Rudolf ersetzt werden wird. Der Film, der in Koproduktion mit dem WDR entsteht, handelt – so der Pressetext der Produktionsfirma – von einem “Nu-Jazz-Trompeter mit ganz eigenem Stil, der gegen die Mittelmäßigkeit, gegen Erfolg durch Kompromisse, gegen Konventionen kämpft”. Und genau dies tut auch Nils Petter Molvær sehr überzeugend und ausgesprochen erfolgreich nun schon seit gut zehn Jahren.