Als Giganten in der Welt des Flamenco bezeichnete Richard Chapman den spanischen Gitarrenvirtuosen Paco de Lucía in seinem Buch “Guitar: Music, History, Players”. Tatsächlich hat kein anderer Musiker die Rolle der Gitarre in der Flamenco-Musik so sehr revolutioniert wie Paco. In den beinahe 50 Jahren seiner Solokarriere hat er dem Flamenco und der spanischen Gitarrenmusik in der ganzen Welt Heerscharen von neuen Fans erschlossen und mehrere Generationen junger Flamenco-Gitarristen beeinflusst.
Paco de Lucía kam 21. Dezember 1947 in der südspanischen Hafenstadt Algeciras als Francisco Sánchez Gómez zur Welt. Ab seinem siebten Lebensjahr lernte er unter Anleitung seines Vaters Antonio Sánchez und seines älteren Bruders Ramón (Künstlername: Ramón de Algeciras) Gitarre spielen. José (Pepe de Lucía), ein dritter Sprössling von Antonio Sánchez, schlug als Sänger ebenfalls eine Flamenco-Karriere ein. Seinen ersten öffentlichen Auftritt absolvierte der elfjährige Paco 1958 bei einem lokalen Radiosender. Im folgenden Jahr gewann er mit Bruder Pepe einen Preis bei einem internationalen Flamenco-Wettbewerb. Fünf Jahre später ging der 16-Jährige mit dem Ensemble des Tänzers José Greco auf Gastspielreise nach New York, wo er die beiden Größen Sabicas und Mario Escudero kennenlernte, die ihn stark beeinflussten. Kaum wieder zu Hause, zog Paco mit seiner Familie nach Madrid, wo er sich binnen kürzester Zeit einen hervorragenden Namen machte.
1967 nahm er “La Fabulosa Guitarra de Paco de Lucía” auf, sein erstes Album unter eigenem Namen. Mit dem legendären Sänger Camarón de la Isla spielte Paco in den folgenden Jahren zehn Alben ein, die ihn in der ganzen Flamenco-Welt berühmt machten. 1973 gelang es ihm mit seinem vierten Soloalbum “Fuente Y Caudal” und dem darauf befindlichen Hit “Entre dos aguas” die Konventionen des Flamenco zu sprengen und musikalisches Neuland zu betreten. Zwar hatte Paco schon 1967 den spanischen Saxophonisten Pedro Iturralde auf dessen Album “Flamenco Jazz” begleitet, auf seinen eigenen Platten zunächst aber die traditionelle Flamenco-Linie weiterverfolgt.
Durch die Bekanntschaft mit den Jazzgitarristen John McLaughlin, Larry Coryell und Al Di Meola und erweiterte sich Pacos musikalischer Horizont ab Mitte der 70er Jahre immer weiter. Als er 1980 mit McLaughlin und Di Meola das historische Gitarren-Trio-Album “Friday Night In San Francisco” einspielte, sah er sich endgültig ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit katapultiert. Weitere wichtige Kooperationen mit Jazzmusikern folgten, darunter 1982 auch eine mit dem Pianisten Chick Corea auf dem Album “Touchstone”. Erst 1987 kehrte er auf dem Album “Siroco” wieder zu seinen Flamenco-Wurzeln zurück. Danach präsentierte sich Paco auf seinen eigenen Alben stets als wandlungsfähiger Komponist und Gitarrist, arbeitete darüber hinaus aber auch mit so unterschiedlichen Künstlern wie dem brasilianischen Sänger Djavan, den Opern-Stars Placido Domingo und Luciano Pavarotti, Rocker Bryan Adams, Jazztrompeter Wynton Marsalis (“Vitoria Suite”, 2010) oder Latino-Popper Alejandro Sanz zusammen.
Zwei seiner letzten Alben wurden mit Latin Grammy Awards ausgezeichnet: 2004 “Cositas Buenas” und 2012 “En Vivo – Conciertos Live In Spain 2010”. Sein letztes Album “Canción Andaluza” – aufgenommen kurz vor Pacos Tod am 25. Februar 2014 – wurde in Spanien als der “Soundtrack seines Lebens” gefeiert. 2016 erscheint posthum erstmals auf einer Doppel-CD mit einer DVD der Mitschnitt von einem Konzert, das Paco de Lucía 1987 im Duo mit John McLaughlin gegeben hatte (“Paco & John: Live At Montreux 1987”). In der 27 CDs umfassenden Box “Integral” kann man auch alle bis 2004 veröffentlichten Alben des Gitarristen zusammen erstehen.