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Open, To Love – In Memoriam Paul Bley, 1932–2016

Pianist Paul Bley, einer der kreativsten Improvisatoren in der Geschichte des modernen Jazz und einer der prägenden ECM-Künstler, ist am 3. Januar 2016 im Alter von 83 Jahren verstorben.
Paul Bley
Paul Bley© Luca D'Agostino / ECM Records
07.01.2016
Auf seiner künstlerischen Reise, die sich über sieben Dekaden erstreckte, war Paul Bley an fast allen stilistischen Umbrüchen und Übergängen des modernen Jazz beteiligt, wobei er bezeichnenderweise jeder Welle voraus war. Seine erste Band gründete er mit 13 Jahren, und als 17-Jähriger rief er den Montréal Jazz Workshop ins Leben. Mit 20 spielte er mit Charlie Parker, und für sein erstes Album als Leader, “Introducing Paul Bley”, konnte er Charles Mingus und Art Blakey als Rhythmusgruppe gewinnen.

Paul war auch einer der ersten Musiker, die die musikalische Bedeutung von Ornette Coleman erkannten. Bei einer heute legendären Gastspielresidenz im Hillcrest-Club von Los Angeles bestand Bleys Quintett 1958 aus Coleman, Don Cherry, Charlie Haden und Billy Higgins. 1961 befand sich Paul als Mitglied des Jimmy Giuffre Trios am leiseren Ende der Free-Revolution. Diese Gruppe mit Steve Swallow am Bass postulierte eine Art avantgardistischen Kammerjazz, der praktisch die Mustervorlage für die behutsame Improvisation der Zukunft war. “In seiner Zeit mit Giuffre bediente sich Paul einer fast schon Webernschen Musikästhetik”, sagte Manfred Eicher einmal. “Er folgte einem fragmentarischen Ansatz des Prinzips der gut gewählten Note oder des gut gewählten Akkords. Seine Idee war, dass nur diese oder jene Note zählt, was die Anzahl der Noten reduzierte und voraussetzte, dass man über diese Noten nachdachte, bevor man sie spielte – Paul Bley war darin der Meister.”

Paul ermunterte Carla Bley für das Giuffre-Ensemble zu komponieren und Stücke zum Repertoire der epochalen Alben (wie etwa “Footloose”) seines eigenen Trios mit Swallow und Pete LaRoca beizusteuern. Gegen Ende der 1960er Jahre, als die Musik langsamer und abstrakter wurde, war Annette Peacock zur festen Komponistin von Bleys Trio avanciert. Annettes Musik findet man auf “Paul Bley With Gary Peacock”, Pauls erstem ECM-Album, und dem Nachfolger “Ballads”. Der Klassiker “Open, To Love”, auf dem er sowohl Musik von Carla als auch Annette aufführte, präsentierte Paul 1972 als fantasievollen und kreativen Solopianisten. Es war sein erstes reines Soloalbum.

Mitte der Achtziger Jahre tat sich Bley auf Manfred Eichers Initiative hin mit John Surman, Bill Frisell und Paul Motian zusammen, um “Fragments” einzuspielen. Eigentlich nur als Projekt für eine Produktion gedacht, ging die Band schon bald regelmäßig auf ausgedehnte Tournee. 1987 wurde mit derselben Besetzung das Album “The Paul Bley Quartet” aufgenommen. Und es gab auch noch weitere Zusammenarbeiten mit John Surman – sowie Gary Peacock und Tony Oxley – auf “Adventure Playground” und “In The Evenings Out There”. In der folgenden Dekade feierte das alte Paul Bley Trio mit Gary Peacock und Paul Motian Wiedervereinigung, um das Album “Not Two, Not One” einzuspielen. Eine frei improvisierte Session mit Evan Parker und Barre Phillips auf “Time Will Tell” mündete in die Gründung einer weiteren Band, die auf dem Live-Album “Sankt Gerold” (aufgenommen in dem österreichischen Bergkloster gleichen Namens) dokumentiert wurde.

Pauls letzte Alben für ECM waren Soloaufnahmen, die in ziemlich unterschiedlichen Kontexten entstanden. Auf “Solo In Mondsee” spielt er ein Bösendorfer Imperial, das schon für unzählige klassische Konzertvorträge benutzt worden war. “Play Blue: Oslo Concert” wiederum ist eine Erinnerung an einen Auftritt beim Oslo Jazz Festival, den Bley mit einer kaleidoskopischen Dekonstruktion von “Pent-Up House” abschloss. Dieses Stück hatte Paul einst in den 1960er Jahren schon zusammen mit seinem Komponisten Sony Rollins gespielt. “Je mehr die Zeit voranschreitet”, bekannte Paul Bley damals, “desto autobiographischer werden die Alben.”