Seit rund 30 Jahren versuchen Kritiker vergeblich, den Gitarristen
Ben Monder stilistisch einzuordnen. Sie verglichen ihn in diesem Zeitraum bereits mit
John Abercrombie,
Bill Frisell oder
Nels Cline, nur um ihr Urteil kurze Zeit später wieder zu revidieren, weil Monder schon wieder eine neue Richtung eingeschlagen hatte. Einig sind sich die Fachleute nur, dass er einer der originellsten Gitarristen des 21. Jahrhunderts und ein wahres kreatives Genie ist. Seit rund 30 Jahren gilt Monder aber auch als ein typischer “guitarist’s guitarist”.
Pat Metheny etwa schwärmte von seinen “großartigen Akkordgriffen” und seinem “einfach exzellenten Spiel”. Das hatte sich wohl auch bis zur gerade verstorbenen Pop-Ikone
David Bowie herumgesprochen, die einst mit der Pat Metheny Group den Hit “
This Is Not America” eingespielt hatte. Bowie engagierte Monder für die Aufnahmen seines faszinierenden letzten Albums “
Blackstar”, das zum 69. Geburtstag des Sängers und zwei Tage vor seinem Tod erschien. Ein reiner Zufall will es, dass Ben Monder just jetzt auch sein sechstes Soloalbum “
Amorphae” veröffentlicht, das zugleich sein
ECM-Debütalbum als Leader ist.
“Amorphae” sollte eigentlich ein Duo-Album mit dem Schlagzeuger Paul Motian werden, in dessen Band der Gitarrist 2004 seine erste Aufnahme für das Münchener Label gemacht hatte. Doch kurz nach einer ersten Duo-Session, bei der zwei Nummern für dieses Album mitgeschnitten wurden (darunter eine abstrakte Interpretation des Musical-Hits “Oh, What A Beautiful Morning”), erkrankte Motian und verstarb, bevor die Sessions fortgesetzt werden konnten. So entschied sich Monder nach einiger Zeit, das angefangene Projekt mit einem anderen innovativen Schlagzeuger fortzuführen: Andrew Cyrille. “Was Paul und Andrew als Schlagzeuger gemein hatten, war – abgesehen vom unglaublichen Reichtum ihrer Erfahrung – ihre erstaunliche Fähigkeit zuzuhören”, begründet Monder seine Wahl. “Sie boten ihren Spielpartnern den bestmöglichen Kontrapunkt, stets kreativ, nie offensichtlich – und sie wahrten immer die Balance zwischen der Zurückhaltung ihrer eigenen Stimme und der Reaktion auf die Stimmen anderer. Mit beiden war es ein Leichtes zu improvisieren. Bei ihnen hatte man das Gefühl, dass einfach alles, was man spielte, passte."
Gemeinsam mit Monder schufen sie für “Amorphae” geradezu traumhafte Musik – frei fließend und kaleidoskopisch, fast durchweg improvisiert und voller Überraschungen. Zu Monder und Cyrille gesellte sich für zwei Stücke außerdem noch der Keyboarder Pete Rende, der mit seinem Arsenal an Synthesizern “eine riesige klangliche Palette” bietet. Gerahmt werden die abenteuerlichen Duo- und Trio-Einspielungen von zwei Solostücken Ben Monders, dem es mit diesem Album und natürlich auch seiner Mitwirkung an Bowies “Blackstar” endlich gelingen könnte, den Ruf des “guitarist’s guitarist” hinter sich zu lassen.