Von manchen seiner immer zahlreicher werdenden Fans schon als der “Sting Afrikas” tituliert, gilt der aus Kamerun stammende Richard Bona heute als einer der besten und gefragtesten Bassisten der Welt.
Doch die Talente Bonas beschränken sich nicht allein auf sein Instrument, auch als eleganter und mit allen stilistischen Wassern gewaschener Songschreiber erntet der Afrikaner immer mehr Anerkennung. Ebenso wie als einfühlsamer Sänger. In den vierzehn Jahren, die vergangen sind, seit er sein Heimatland verlassen hat, eroberte er mit seiner Natürlichkeit und seinem Humor, mit Gelassenheit und Charisma nicht nur die Herzen des internationalen Publikums, sondern auch die unzähliger Kollegen.
Auf seinen ersten beiden Soloalben, die 1999 und 2001 erschienen sind, bewies er nicht nur, daß er einer der weltbesten Bassisten ist und ein Sänger, dessen Stimme einem unter die Haut geht, sondern er ließ auch keinen Zweifel daran, daß er ein ganz wunderbarer musikalischer Geschichtenerzähler ist. Dabei greift er beim Komponieren nicht nur auf die Musiktradition seiner Heimat zurück, sondern läßt in seine Stücke auch Elemente all der anderen Stile einfließen, die seinen musikalischen Werdegang mitgeprägt haben: von Jazz und Samba über Afro-Beat und Popmusik bis hin zum Funk.
Bona ist, wie bereits angemerkt wurde, ein Geschichtenerzähler. Und “Munia”, der Titel seiner dritten CD, bedeutet im Dialekt der Douala “Geschichte” (Anm.: Die Douala oder Duala sind eine der vielen ethnischen Bevölkerungsgruppen Kameruns und gehören zu den Bantu; Douala heißen außerdem der Dialekt, den sie sprechen, und die größte Stadt Kameruns). Als Enkel eines in Kamerun bekannten Perkussionisten und Sängers kam Richard Bona 1967 in einem in Zentralkamerun gelegenen Dorf namens Minta zur Welt. Von Musik war er schon umgeben, als er damals seinen ersten Schrei tat. Dem Beispiel seiner Mutter und seiner vier Schwestern folgend, trat er mit fünf Jahren dem Kirchenchor bei. Doch der kleine Richard begeisterte sich nicht nur schon sehr früh für Klänge, Harmonien und Lieder, sondern erwies sich damals auch schon als wirklich kreativer Stöpsel: Unter der kundigen Anleitung seines Großvaters schnitzte er sich seine eigenen Flöten und bastelte sich ein Balafon sowie seine erste zwölfsaitige Gitarre.
Als Material benutzte er alles, was verwendbar war und nach Möglichkeit nichts kostete. Da er in dem entlegenen kleinen Dorf keine Saiten für seine Gitarre auftreiben konnte, stibitzte er – wie er einst erzählte – in einem Fahrradladen einfach Bremszüge und spannte sie als Saitenersatz auf seine Gitarre. (So ist es eigentlich kein Wunder, daß er später – anders als die meisten Gitarristen – kein Problem hatte, mit den stärkeren Saiten eines Baß zurechtzukommen.) Acht bis zwölf Stunden soll er täglich geübt haben, und wann immer er Gelegenheit dazu hatte, trat er als Sänger oder Instrumentalist bei religiösen oder privaten Feiern auf.
Als Richard Bona elf Jahre alt war, zog er mit seinem Vater in die Hafenstadt Douala, die mit 1,2 Millionen Einwohnern noch bevölkerungsreicher ist als Kameruns Hauptstadt Yaoundé. Da Gitarristen dort damals sehr gesucht waren, hatte der überaus talentierte Bona kein Problem, einen Job in einer Tanzband zu bekommen. 1980 – da war Bona gerade 13 Jahre jung – bat ihn der französische Besitzer eines Clubs, in dem er einige Mal aufgetreten war, eine Band zusammenzustellen, die Soul-Jazz und Jazz-Rock spielen sollte. Um Bona, der bis dahin nur lokale Makossa-, Soukouss- und Afro-Beat-Musik gespielt hatte, eine Vorstellung von dieser für ihn damals noch fremden Musik zu geben, lieh ihm der Franzose seine rund 500 Platten umfassende Vinylkollektion. So lernte Richard Bona also die musikalischen Freiheiten, die Komplexität und die Virtuosität des Jazz kennen. “Dabei stieß ich auch auf das erste Soloalbum von Jaco Pastorius [”Jaco Pastorius", Columbia Records, 1976], das meine gesamt musikalische Wahrnehmung änderte", erinnert sich Bona.
“Als ich es mir das erste Mal anhörte, dachte ich, daß am Plattenspieler die falsche Abspielgeschwindigkeit eingestellt sei. Ich dachte, ich würde die Platte mit 45 statt 33 Umdrehungen pro Minute abspielen. Und ich habe ungelogen erst einmal nachsehen müssen, ob die Abspielgeschwindigkeit richtig eingestellt war. Bevor ich Jaco hörte, hatte ich nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, einmal Baß zu spielen.”
1989 verließ der damals 22jährige Kamerun und ging zunächst nach Paris, wo er durch das Zusammenspiel mit Didier Lockwood, Marc Fosset und André Ceccarelli sowie Studiosessions mit Größen wie Manu Dibango, Salif Keïta und Joe Zawinul (“My People”) schnell eine hervorragende Reputation erwarb. Dennoch zog es Richard Bona weiter ins Mekka des Jazz. Wie Angélique Kidjo (die er auch schon begleitet hat) ging der Bassist 1995 nach New York und ließ sich in Manhattan nieder. Wieder war der ehemalige Pastorius-Partner Joe Zawinul einer der ersten, die Bona einen Job gaben. Schon kurz nach seiner Ankunft in New York ging der junge Bassist mit Zawinul auf eine Welttournee.
“New York ist eine 120-prozentige Jazzstadt. Sobald sich einem eine Tür öffnet, muß man die Gelegenheit beim Schopfe packen”, meint Bona, der damals kaum eine Auftrittschance ausließ. Bei einem dieser Gigs in einem Club in Manhattan wurde der Lyriker Jake Holmes, ein langjähriger Partner Harry Belafontes, auf ihn aufmerksam, und schon ein paar Wochen später fand sich Richard zum musikalischen Leiter, Bassisten und Arrangeur Belafontes befördert. Noch heute denkt er gerne an diese fabelhaften 18 Monate zurück, in denen er mit Belafonte zusammenarbeitete. Belafonte war nicht nur einer der ersten Weltmusiker gewesen (schon in den 60er Jahren mischte er Soul und Calypso, Volksmusik und kreolische Lieder, Jazz und Rumba), sondern auch ein enger Freund des legendenumwobenen Martin Luther King sowie ein stets engagierter, ernsthafter Streiter für die Zivilrechte der schwarzen US-Bevölkerung.
Die Liste der Namen, mit denen Richard Bona danach auftrat und/oder Aufnahmen machte, liest sich wie das “Who’s Who” der US-Musikszene und würde, wenn man sie komplett wiedergeben wollte, wohl locker zwei Telefonbuchseiten füllen: genannt seien der Kürze wegen nur Michael Brecker, Paul Simon, Chaka Khan, Tito Puente, Eddie Palmieri, Chucho Valdés, Mike Stern, Larry Coryell, Steve Gadd, Joni Mitchell, Harry Connick Jr., Herbie Hancock, Billy Cobham, Queen Latifah, Jacky Terrasson, Bobby McFerrin, Chick Corea und George Benson. Weil er einfach zu sehr ausgebucht war, konnte sich Bona sogar den Luxus leisten, eine Tournee mit Eric Clapton auszuschlagen. Für Tourneen und Plattensessions mit seinem Mentor Joe Zawinul fand Bona indes immer Zeit, so daß man ihn als Bassist, Sänger und Perkussionist auch wieder auf dessen Alben “World Tour 98” (1998) und “Faces & Places” (2002) hören konnte.
Der dritte Musiker, der – nach Zawinul und Belafonte – Richard Bonas Karriere entscheidend voranbrachte, war der Saxophonist Branford Marsalis. In seiner Zeit als Produzent und Talentsucher für die Jazzabteilung von Columbia Records ermöglichte Marsalis dem Kameruner, sein erstes Soloalbum aufzunehmen. “Scenes From My Life” wurde 1999 veröffentlicht und präsentierte Bona u.a. in Gesellschaft von Tenorsaxophonist Michael Brecker und Schlagzeuger Omar Hakim. Das Album verkaufte sich 30.000 Mal, was für das erste Solowerk eines der Allgemeinheit kaum bekannten Musikers (Bona ist wohl das, was einen “musician’s musician” nennt) eine wirklich exzellente Zahl ist.
Das Erstaunlichste an diesem Album war aber, daß Bona – obwohl nach wie vor ein glühender Verehrer von Jaco Pastorius – sein fantastisches Baßspiel gar nicht in den Mittelpunkt der Platte rückte, sondern vielmehr darauf bedacht war, sich als Songwriter, Sänger und Multiinstrumentalist ins rechte Licht zu setzen. “Baßsoli sind nicht das A und O in der Musik, und es entspricht einfach nicht meinem Temperament, mich als Virtuose beweisen zu wollen”, meinte Bona damals. “In Frankreich kannte man mich nur als Begleitmusiker, da wollte mich niemand singen hören. Tatsache ist aber, daß ich schon gesungen habe, bevor ich überhaupt irgendein Instrument spielen lernte. Deshalb wollte ich diese Chance nutzen, um mich als Sänger vorzustellen.”
Zwei Jahre später erschien bei Columbia Records das noch etwas intimere Album “Reverence”, mit dem Richard Bona seine Hörer zum Nachdenken anregen wollte. Neben prominenten Gästen wie Gitarrist Pat Metheny und Schlagzeuger Vinnie Colaiuta wirkte an der Einspielung auch der jüngst verstorbene Sänger Barry White mit.
Sein drittes Soloalbum hat Richard Bona nun für die französische Jazzabteilung von Universal Music eingespielt. “Munia” ist ein vielseitiges, lebhaftes Werk geworden – vielleicht Bonas bislang eklektizistischstes und aufregendstes Album. Wie bei den vorangegangenen Alben beschränkte sich Bona keineswegs auf die Rolle als Bassist, sondern spielt auch akustische und elektrische Gitarre, Synthesizer, Vocoder, Keyboards und Perkussion. Und natürlich sang, komponierte und arrangierte er wieder.
Begleitet wird er bei den elf Songs des Albums von Schlagzeuger Nathaniel Townsley, Keyboarder George Whitty, Pianist George Colligan und Saxophonist Aaron Heick. Als Gäste präsentiert er diesmal neben Altsaxophonist Kenny Garrett und Drummer Vinnie Colaiuta (die in dem sehr jazzigen Titel “Painting A Wish” zu hören sind) auch drei afrikanische und einen brasilianischen Kollegen. Während Sänger Salif Keïta, Kora-Spieler Djeli Moussa Condé und Flötist Bailo Bâ mithelfen, das lebhaft-funkige “Kalabancoro” zu einem der Höhepunkte des Albums zu machen, verleiht Gitarrist Romero Lubambo “Bona petit” (Bona singt hier ausnahmsweise mal in Französisch) ein leichtfüßiges Samba-Feeling. Darüber hinaus bietet Richard Bona auf “Munia” tropischen Rock (“Balemba na bwemba”), zwei herzzerreißende Balladen (“Dina lam” und “Muto Bye Bye”), eine afrikanische Rumba (“Couscous”) und eine brillante Fusionnummer (“Engingilaye”), die auch aus dem Repertoire Mino Cinelus stammen könnte.
Richard Bona Tour 2003:
07.11. Aalener Jazzfestival
08.11. Ingolstädter Jazztage
12.11. Aschaffenburg / Colos-Saal
13.11. Berlin / Quasimodo