Wie der “Buena Vista Social Club”, dessen Mitglied er jahrelang war, ist auch Pianist Roberto Fonseca einer der musikalischen Exportschlager Kubas. Der in Havanna geborene Musiker hat als Solist längst eine internationale Karriere vorzuweisen. Für eine seiner letzten Arbeiten erhielt er eine Grammy-Nominierung, mit dem jetzt erscheinenden neuen Album “ABUC” hat er dort erneut ein heißes Eisen im Feuer. Obwohl der erste Höreindruck durchaus Verwirrung stiften könnte, denn das, was einem da so rau und roh aus den Lautsprechern entgegentönt, klingt erst einmal nicht, als wäre es 2016 aufgenommen. Die vor Latin-Energie schier platzen wollende Musik erinnert zunächst eher an legendäre afro-kubanische Jazzklassiker, wie sie Machito, Chano Pozo, Dizzy Gillespie und Charlie Parker in den 1940er Jahren eingespielt haben. Doch dann mischt Fonseca unüberhörbar moderne Stilelemente von Hip-Hop und Reggaeton bis Electronica unter die Mambos, Chachachás, Guajiras, Contradanzas und Descargas, und kocht so ein scharfes Süppchen, das in dieser Form bislang einmalig ist.
Aufgenommen hat Fonseca sein mal fett orchestral und mal schlank und funky klingendes Album mit Gästen wie Trombone Shorty, Gitarrist Eliades Ochoa, dem brasilianischen Flötisten Zé Luis Nascimento, den Vokalisten Daymé Arocena, Carlos Calunga und Rafael Lay (vom Orquesta Aragón) sowie Trompeter Manuel “Guajiro” Mirabal. “Die Idee war, einmal ein anderes Kuba zu zeigen”, sagt Fonseca. “Deshalb ist Cuba im Titel des Albums auch rückwärts buchstabiert. Ich wollte die gesamte kubanische Musikgeschichte aufarbeiten, so dass die Hörer eine Vorstellung davon bekommen, wie die Bands und Orchester in den glorreichen Zeiten des letzten Jahrhunderts klangen.” Das war, wie er zugibt, ein riskantes Unterfangen, weil ein Album wie “ABUC” vom Hörer verlangt, sich in eine Zeit hinein zu versetzen, als die Audioaufnahmetechnik noch simpler war. “Die Musik so einzufangen, wie es in alten Zeiten üblich war, bedeutet Abstand zu nehmen von der heutigen Klangästhetik”, meint Fonseca, der zu diesem Zweck einen der ältesten Tonmeister des staatlichen kubanischen Labels EGREM verpflichtete. “Und wenn ein bestimmter Track eine gewisse Zeit heraufbeschwören sollte, als der Klang noch nicht so sauber und perfekt war, mussten wir das auf ‘ABUC’ halt auch so machen. Ich bin sicher, dass es einige Leute verwirren wird. Sie werden denken, dass diese neuen Stücke schon vor langer Zeit komponiert wurden.”
Zwischen den mitreißenden Fonseca-Originalen finden sich auf dem Album auch zwei ganz unterschiedliche Versionen des Latin-Klassikers “Cubano Chant” von Ray Bryant. Zum Albumauftakt präsentiert Fonseca die Nummer mit einem Orchester in geradezu klassischer Manier, um sie zum Ausklang dann noch einmal sehr viel moderner und sehr rasant als Solist auf dem Klavier neu zu interpretieren. Dass dieser Evergreen unter den neuen Titeln nicht heraussticht, beweist die hohe Qualität Fonsecas als Komponist, Arrangeur und Pianist. Mit „ABUC" gelingt ihm eine lebensfrohe Kopfreise nach Cuba.