Das neue Album des japanischen Pianisten und Komponisten Ryuichi Sakamoto klingt paradoxerweise zugleich sehr vertraut und dennoch vollkommen neu. Zum einen knüpft er auf “Three” mit dem brasilianischen Cellisten Jaques Morelenbaum und der jungen kanadischen Violinistin Judy Kang an sein 1996 aufgenommenes Trio-Album “1996” an, auf dem er schon einmal einige der hier zu hörenden Nummern (“The Last Emperor”, “Bibo No Aozora”, “Merry Christmas, Mr. Lawrence” und “High Heels”) gespielt hatte. Zum anderen aber wählte er nun einen vollkommen anderen Interpretationsansatz.
Auf “1996” arbeitete Sakamoto mit Cellist Morelenbaum und den alternierenden Violinisten Everton Nelson, David Nadien und Barry Finclair zusammen. Morelenbaum begann seine Karriere in einer progressiven brasilianischen Rockband, bevor er zehn Jahre lang als Arrangeur und Cellist für Antônio Carlos Jobim tätig war und fünf Jahre mit Egberto Gismonti zusammenspielte. International bekannt wurde er aber erst in den frühen 1990er Jahren durch Aufnahmen mit Caetano Veloso. Seitdem wirkte er als Arrangeur, Produzent und Cellist an Einspielungen so unterschiedlicher Künstler wie Mariza, Cesária Évora, Marisa Monte, Sting, David Byrne, Julieta Venegas und Adriano Celentano mit.
Für die Aufnahmen von “Three” hat Sakamoto sein kammermusikalische Trio nun leicht umbesetzt: zu ihm und Morelenbaum gesellt sich diesmal die junge kanadische Violinistin Judy Kang, die Sakamoto über YouTube-Videos entdeckte. Sie ist in der klassischen Musik, wo sie u.a. eng mit zeitgenössischen Komponisten wie Pierre Boulez, Leon Kirchner, Richard Danielpour und Alexander Goehr zusammenarbeitete, ebenso zu Hause ist wie in Pop, Indie-Musik, Jazz und HipHop. Vor zwei Jahren begleitete die extrovertierte Kang z.B. Lady Gaga auf ihrer “Monster Ball”-Welttournee.
Während “1996” von einer fast schon lateinamerikanischen Leichtigkeit und unverhohlenem Romantizismus geprägt war, dominieren auf “Three” eine gewisse klassische Formstrenge und langsamere Tempi. Die beiden Streicher spielen mit weniger Vibrato und Sakamoto selbst setzt das Dämpferpedal seines Klaviers seltener ein. Das neue Trio agiert mit einer scheinbaren Zurückhaltung und Bescheidenheit, die ihm aber in Wirklichkeit viel abverlangt. Das Resultat sind zutiefst anrührende Interpretationen, die unter die Haut gehen und noch lange im inneren Ohr nachklingen. Den japanischen Kritiker Akira Asada verleitete das neue Album zu der vorwitzigen Frage: “Ist dies Sakamoto mit einer Jobim-Maske als Brahms verkleidet?” Tatsache ist, dass sich der Pianist auf “Three” stärker denn je zuvor als kammermusikalischer Verkleidungskünstler präsentiert. Doch unter all diesen Verkleidungen lugt eben auch immer Sakamotos unverkennbar eigene Identität hervor.