Reflexion, sagt der Duden, sei zum einen das Zurückwerfen von Licht, elektromagnetischen Wellen, Schallwellen oder auch Verdichtungsstößen an Körperoberflächen, zum anderen das Nachdenken, vergleichende und prüfende Denken, das Überlegen, Betrachten oder die Vertiefung in einem Gedankengang. Die „XVI Reflections on Classical Music“ können daher viel sein, Kommentare und Erweiterung, Kontemplation und Neuorientierung. In jedem Fall aber sind dieses sechzehn unorthodoxen Beschäftigungen mit der klangkulturellen Gegenwart, die der DJ und Konzeptdenker Me Raabenstein zu einem übergreifenden Spannungsbogen kombiniert hat, ein faszinierender Ausflug in die Welt der gedanklichen Herausforderungen, die sich nicht mit den gängigen Deutungen von Musik zufrieden geben.
Nun sind einige der Beteiligten schon lange dabei. Man denke beispielsweise an Ryuichi Sakamoto. Der Kunstpionier aus dem japanischen Nakano ist eine schillernde Gestalt des internationalen Popbusiness. Er ist Musiker und Produzent, Filmkomponist und Modevisionär, Internetpionier und Konzeptarbeiter. Einer der auf die Präzision seiner Beobachtungsgabe angewiesen ist, um den Puls der Zeit nicht zu übersehen, und vom Yellow Magic Orchestra bis hin zu Filmmusiken für Bernardo Bertolucci viele Spuren im Musikleben unserer Zeit hinterlassen hat. Oder Philip Glass. Er ist einer der Ahnherren des „Minimalismus“, der Kompositionen die sich auf ein vergleichsweise kleines Motivinventar beschränken, das inspiriert durch indische Ragas in unterschiedlichen Durchgängen und verschiedenen Formen variiert wird. Er gründete 1968 das Philip Glass Ensemble, das ihn in der Umsetzung seiner neuen Ideen unterstützen sollte und konzentrierte sich auf die Komposition von Bühnen-, Film- und Opernmusiken, die er wiederum in Personalunion mit dem Regisseur Robert Wilson für die Theaterräume umsetzte.
Zwei prominente Beispiele von Komponisten an der Schwelle zwischen den musikalischen Ideenwelten. „XVI Reflections on Classical Music“ bringt sie mit Vertretern der avancierten Pop- und Klassikkultur zusammen, die wie der Luxemburger Pianist Francesco Tristano, der japanischen Multi-Instrumentalist Takeo Toyama, der zeitgenössische Komponist Max Richter oder der mexikanische Soundtüftler Murcof die Klanggenese der musikalischen Gegenwart aus völlig verschiedenen Perspektiven betrachten. Manche Musikstücke haben kommentierenden, remixenden, dekonstruierenden Charakter, andere wiederum sind auf der Suche nach dem Puls, dem Zentrum der gestaltenden Aussage oder einfach nach einer schlichten, universellen Melodie. Das Besondere dieser Zusammenstellung von Nonine-Chef Me Raabenstein ist dabei die Feinfühligkeit, mit der er sich dem Sujet der Reflexion nähert.
Denn hier geht es nicht um die Plattitüden oder Erkenntnisse einfacher Stellungnahmen zur Verfassung der zeitgenössischen Musik aus der Perspektive benachbarter Genres. „XVI Reflections on Classical Music“ ist vielmehr ein Angebot an potentiellen Türöffnern in überraschende Gefilde der Klangfusion. Die Kompilation verzichtet auf Normatives, setzt aber gerade dadurch Wegmarken eines veränderten Verständnisses von klassischer Musik. Denn dieses Erbe ist aktiv, produktiv, experimentiert ebenso lustvoll wie selbstbewusst mit einer Überlieferung, die weit in die musikgeschichtliche Vergangenheit hineinreicht. Ein gewagter, aber überzeugender akustischer Versuchsaufbau zwischen gestern und morgen.
Mehr Informationen unter
www.xvi-reflections.com