Seit über vierzig Jahren ist Salif Keïta nun schon der Goldschmied der modernen malischen Musik. In diesen vier Jahrzehnten wurde er nicht müde, immer neue musikalische Wege zu beschreiten und die traditionelle malische Musik behutsam mit Elementen westlicher Popmusik zu vermählen. Diesen Weg hat er nun auch auf seinem neuen Album “La Différence” fortgesetzt.
Bei seinen Reisen und den Begegnungen mit Musikern aus anderen Ländern hat Salif Keïta nie seine Wurzeln in der malischen Mandinkakultur aus den Augen verloren. Seine Karriere begann der einzigartige Sänger und Komponist 1967 in der von der malischen Regierung gesponserten Super Rail Band, aus der auch andere malische Stars wie Mory Kanté und Cheick Tidiane Seck hervorgingen. 1973 wurde Keïta Mitglied der Band Les Ambassadeurs, mit der er Mitte der 70er Jahre nach Unruhen in seiner Heimat in die benachbarte Elfenbeinküste floh. Als Les Ambassadeurs Internationales erlangte das Ensemble in den folgenden Jahren auch außerhalb des afrikanischen Kontinents Bekanntheit und bereitete Salif Keïta so den Weg zu seiner Solokarriere. 1987 brachte Keïta sein Debütalbum “Soro” heraus, für das er in der europäischen Presse als einer der kommenden Stars der so genannten Weltmusik gefeiert wurde. Mit Alben wie “Ko-Yan” (1989), “Amen” (1991), “Folon” (1995), “Sosie” (1997) und “Papa” (1999) manifestierte er diesen Ruf.
2002 startete er mit dem Album “Moffou” eine Trilogie vorwiegend akustischer Alben, mit denen er dezidiert seine Verwurzelung in der malischen Musiktradition unterstreichen wollte. Die Reihe setzte er 2005 mit “M’Bemba” fort und schließt sie nun mit “La Différence” ab. Dieses neue Album ist nicht nur eines der bewegendsten seiner gesamten Karriere, sondern zugleich auch dasjenige, auf dem er am deutlichsten politisch Stellung bezieht. Den Großteil der Aufnahmen machte er in seiner zweiten Heimat Paris. Einige Sessions fanden aber in Bamako (in seinem eigenen Studio namens Le Moffou), Djoliba (jenem Dorf am Ufer des Niger, in dem Salif 1949 geboren wurde), Los Angeles und Beirut statt.
Salif Keïta ist ein Musiker, der ständig in Bewegung ist. Statt sich hinter der Tradition der Mandinka-Musik (die er wie kaum ein anderer Musiker seines Landes beherrscht) zu verstecken, versuchte er stets, diese zu modernisieren und weiter zu entwickeln. Dabei scheute er auch nie den Einsatz modernster Musiktechnologien, was ihm in seiner Heimat von konservativeren Kritikern den Vorwurf einbrachte, seine eigentlichen Wurzeln zu verraten. Mit der 2002 begonnenen akustischen Trilogie wollte Salif Keïta nicht zuletzt diesen Kritikern zeigen, wie falsch sie mit ihrer Einschätzung lagen. Und mit “La Différence” beweist er dies nachhaltiger denn je.
In der ländlichen Region Malis, in der Salif Keïta aufwuchs, stehen Menschen mit Albinismus in Verruf Unglück zu bringen und werden deshalb ausgegrenzt. “I’m a black man, my skin is white and I like it, it’s my difference / I’m a white man, my blood is black, I love that, it’s the difference that’s pretty”, singt der Albino Keïta im Titelsong von “La Différence”, der auch die erste Single-Auskopplung des Albums ist. Mit dem Lied ruft er nicht nur zu mehr Toleranz auf, sondern verleiht in ihm auch mehr denn je seinen künstlerischen Überzeugungen Ausdruck.
In anderen Liedern spricht er Umweltprobleme an. Mit dem Song “Ekolo d’amour” möchte er beispielsweise auf die ökologischen Tragödien aufmerksam machen, unter denen der afrikansche Kontinent seit Jahrzehnten leidet, die aber vom Rest der Welt fast vollkommen ignoriert werden. Mit dem Stück “San Ka Na” will er wiederum seine eigenen Landsleute wachrütteln, endlich mehr für den ökologischen Schutz des Niger zu tun. Der mächtige Strom, an dessen Ufern Keïta geboren wurde und der für die Trinkwasserversorgung, die Land- und Weidewirtschaft Malis lebenswichtig ist, gilt als hochgradig verschmutzt. Keïtas Lied ist ein leidenschaftlicher Protest gegen die Untätigkeit der Politiker seines Heimatlandes.
Produziert wurde das Album von Patrice Renson, der mit französischen Popstars wie M. (Matthieu Chedid), Vanessa Paradis und Ben Ricour arbeitete und bei einigen Stücken auch selber Schlagzeug, Gitarre und Perkussion spielt. Darüber hinaus schrieb Renson die Streicherarrangements für die Stücke “Samigna”, “San Ka Na” und “Ekolo d’amour”, die von einem Orchester in Beirut aufgnommen wurden. In diesen drei Nummern wird Salif Keïtas Stimme von orientalischen Klängen umhüllt, die die natürliche Interaktion zwischen arabischer und Mandingo-Musik, zwischen der arabischen Oud-Laute und ihrem Griot-Pendant N’goni unterstreichen.
Der US-Amerikaner Joe Henry übernahm dann das Ruder bei der Neuaufnahme, Produktion und Abmischung der beiden Keïta-Klassiker “Papa” und “Folon”. Noch älter ist das Stück “Seydou”, das ursprünglich den Titel “Seydou Bathily” trug und noch aus der Zeit stammt, als Salif Keïta mit den Ambassadeurs in Bamako spielte.
Aufgenommen hat Salif Keïta “La Différence” sowohl mit Musikern, mit denen er schon seit langem zusammenarbeitet, als auch mit neuen Partnern. Der Balafonspieler Keletigui Diabaté, mit dem Keïta schon seit gut vierzig Jahren kooperiert, und Bassist Guy N’Sangue sind beispielsweise in “Djélé” zu hören. Das Stück “Gaffou” featuret den Bassisten Jannick Top und den Cellisten Vincent Segal, während der libanesische Trompeter Ibrahim Maalouf in “Samigna” zum Zuge kommt. In “San Ka Na” treten die beiden Gitarristen Kanté Manfila und Ousmane Kouyaté zusammen mit dem Perkussionisten Mamadou Koné in Erscheinung. Und in “Folon” kommt es zu einem aufregenden Zusammenspiel zwischen den Gitarristen Seb Martel und Bill Frisell.
Mit “La Différence” ist Salif Keïta ein ungemein vielfältiges, aber absolut homogen klingendes Album gelungen. Die malische Musik, die gerade in den letzten paar Jahren von vielen westlichen Musikern wie Ry Cooder, Taj Mahal, Bonnie Raitt, Bruce Cockburn, Corey Harris, Markus James, Damon Albarn (Blur & Gorillaz) und Dee Dee Bridgewater entdeckt wurde, besitzt in Sailf Keïta nach wie vor eine ihre eindrucksvollsten Stimmen.