Sérgio Mendes gilt – trotz großer und illustrer Konkurrenz – als der international erfolgreichste brasilianische Künstler aller Zeiten. Zur Legende wurde er schon mit den Alben und Singles, die er in den 60er und 70er Jahren mit seinen brasilianisch-amerikanischen Bands in den USA aufnahm (etwa “Brasil 66”, “Mas Que Nada” oder “The Look Of Love”) und mit denen er oft an die Spitze der Pop-Charts gelangte.
Sérgios Klassiker aus dieser Zeit waren es auch, die vor rund fünfzehn Jahren im Sturm Herz und Kopf des in Los Angeles heranwachsenden William Adams eroberten. Als Mendes den Großteil seiner Hits einspielte, war William Adams noch gar nicht geboren – er ist Jahrgang 1975. Heute ist er unter dem Pseudonym will.i.am auf dem besten Weg, selbst zu einer Popmusik-Legende zu werden. Bekannt ist er in aller Welt als maßgeblicher Produzent und Songschmied sowie Rapper und Multiinstrumentalist der Black Eyed Peas. Die Black Eyed Peas (BEP) sind eine der populärsten HipHop-Pop-Crossover-Gruppen der Gegenwart und konnten vergangenes Jahr mit ihrem letzten Album “Monkey Business” den überwältigenden Erfolg vom 2003 erschienenen Vorgänger “Elephunk” sogar noch übertreffen.
Nun ging will.i.am (a.k.a. Will) gemeinsam mit seinem Idol Sérgio Mendes ins Tonstudio, um dessen neuestes
Album fertigzustellen. “Timeless” ist das erste Album, das Sérgio Mendes nach acht Jahren Pause veröffentlicht. Für Will war diese Kollaboration die Erfüllung eines lange gehegten Wunschtraums. Denn Sérgios “Slow Hot Wind” (der auf “Timeless” unter dem neuen Namen “That Heat” in einer Interpretation von Erykah Badu und will.i.am wieder auftaucht) sei, so behauptet er, der erste Song gewesen, den er als Teenager gesampelt habe. “Auf dieses Album habe ich gewissermaßen vierzehn Jahre lang hingearbeitet”, sagt Will mit einem Augenzwinkern.
Ins Rollen kam die ganze Geschichte, als Will Sérgio dazu einladen wollte, für das BEP-Stück “Sexy” (das auf dem mehrfach mit Platin ausgezeichneten Album “Elephunk” erschienen ist) den Klavier-Part einzuspielen. Zu seiner großen Überraschung stellte Will fest, daß ihm der Präsident von A&M Records (Mendes' langjährigem Label) problemlos ein Treffen mit seinem Idol arrangieren konnte. Die Saat für “Timeless” war damit ausgebracht, und der Rest ist, wie es so schön heißt, Geschichte.
“Er besuchte mich zu Hause und brachte eine Menge alter LPs mit, die ich vor Ewigkeiten aufgenommen hatte”, erinnert sich Sérgio. “Ich war ziemlich überrascht. Ich sagte mir: ‘Wow, der kennt ja jeden Song. Er kennt jeden brasilianischen Riff.’ Ich spürte einfach seine Begeisterung für diese Musik. Wir unterhielten uns und ich sagte: ‘Weißt du was? Du liebst brasilianische Musik so sehr. Warum nehmen wir nicht die brasilianische Musik und ihre Melodien und verpflanzen sie in die urbane Welt des HipHop? Ich glaube, wir könnten da etwas hinbekommen, das wirklich anders ist.”
“So kam es zu einer wunderbaren Vermählung zwischen den Rhythmen, die ja alle afrikanischen Ursprungs sind, und diesen Melodien, die man nicht so leicht aus dem Ohr bekommt”, fährt Sérgio fort. “Der Dreh- und Angelpunkt sind natürlich die miteinander verwandten Beats, die Brasilianer und Nordamerikaner von Afrika geerbt haben. In Brasilien entstand daraus der Samba, in Nordamerika der Jazz und andere schwarze Musikstile. Wir hatten einen Heidenspaß.”
“HipHop ist eine urbane nordamerikanische Musik”, ergänzt Will, “und Samba und Bossa Nova sind urbane brasilianische Musikstile. Es sind zwei unterschiedliche urbane Kulturen, die hier aufeinanderprallen und wunderbar miteinander fusionieren, weil sie eine Menge gemeinsamer Qualitäten haben.”
Als Will und Sérgio die Künstler für die Einspielungen des Albums auswählten, wurden natürlich auch Wills Kollegen von den Black Eyed Peas ins Spiel gebracht. Absolut beeindruckend ist die Liste mit den Namen der anderen gefeaturten Musiker, die sich wie ein Auszug aus dem “Who is who” des modernen Rhythm’n’Blues und HipHop liest: Erykah Badu, Justin Timberlake, India.Arie, Q-Tip, John Legend, Jill Scott, Mr. Vegas, Pharoahe Monche, Stevie Wonder, Black Thought von The Roots, Chali 2na von Jurassic 5 und Debi Nova. Aus Brasilien stießen dazu Sérgios Ehefrau Gracinha Leporace, der Gitarrist Guinga und der Rapper Marcelo D2.
Daß sich auch Stevie Wonder an diesem einmaligen Projekt beteiligte, ist auf einen glücklichen Zufall zurückzuführen, oder, wie Will meint, auf “perfektes Timing”. “Sérgio und ich waren gerade mit unserer Arbeit im Studio von Record Plant fertig geworden”, berichtet Will. “Sérgio verschwand und ich arbeitete noch bis vier Uhr in der Früh an ein paar Sachen. Plötzlich meinte Venus, meine Partnerin: ‘Hey, Stevie Wonder ist im nächsten Gang!’ Also ging ich hin und sagte: ‘Mr. Wonder, ich arbeite gerade am neuen Projekt von Sérgio Mendes.’ ‘Oh, ich liebe Sérgio!’, meinte der daraufhin. ‘Ich habe ihn schon seit zirka 15 oder 20 Jahren nicht mehr getroffen.’ Also sagte ich: ‘Wir fänden es fantastisch, wirklich fantastisch, wenn Sie bei einem der Songs Mundharmonika spielen oder singen würden.’ Er antwortete: ‘Laß mich hören, was ihr Typen da gerade ausheckt.’ Wir gingen in den Aufnahmeraum und spielten ihm ‘Consolação’ vor. ‘Besorg mir davon eine Kopie’, sagte er, ‘damit ich die mit nach Hause nehmen und dort die Melodie einstudieren kann.’ Und zwei Tage später tauchte er dann wieder bei uns auf…” – “Und es war magisch”, wirft Sérgio ein. “Pure Magie!”, pflichtet ihm Will bei.