Terence Blanchards E-Collective – nicht die Zeit für Partymusik
Mit einem Mix aus Jazz, Funk, Rock und einer Menge politischer Botschaften erreicht Terence Blanchards E-Collective ein neues Publikum.
Terence BlanchardHenry Adebonojo
18.04.2018
“Meine Leitbilder sind Jazzmusiker und Bluesmen, die ihre Stimmen finden müssen und nicht nur Echos sein dürfen, die eine Vision haben müssen und nicht nur eine Haltung. Letztendlich müssen sie sich selbst treu bleiben. Jede Nachahmung ist Selbstmord.” Mit dieser Botschaft des afro-amerikanischen Vordenkers Dr. Cornel West eröffnet Terence Blanchard sein neues Album “Live”. Es könnte zugleich auch das künstlerische Credo des Trompeters und Komponisten sein, der seine Laufbahn in den 1980ern als neo-traditionalistischer “Young Lion” in Art Blakey’s Jazz Messengers begann, sich aber schon bald zu einer der Speerspitzen des zeitgenössischen Jazz mauserte.
Eine Rolle bei dieser Wandlung spielte ganz sicher der gesellschaftspolitische Regisseur Spike Lee, für dessen Filme (darunter das Epos “Malcom X”, die Dokumentation “4 Little Girls” und jüngst “BlacKkKlansman”) Blanchard seit Anfang der 1990er Jahre zahlreiche Soundtracks schrieb und einspielte. Auch auf seinen eigenen Alben setzt sich Blanchard seitdem immer wieder mit schmerzhaften amerikanischen Themen der Vergangenheit und Gegenwart auseinander. So wie jetzt auf “Live”, dem zweiten Album mit seinem eklektischen Quintett The E-Collective.
Das Ensemble beschäftigt sich hier mit der schwindelerregenden Epidemie der Waffengewalt in den USA. Die Musik wurde symbolisch bei Konzerten in drei Communitys mitgeschnitten, in denen es eskalierende Konflikte zwischen den Strafverfolgungsbehörden und der afro-amerikanischen Bevölkerung gab, die weltweit Schlagzeilen machten. Der Titel “Live” gewinnt so natürlich eine pointierte Doppelbedeutung.
Wie schon auf seinem ersten Album “Breathless” gibt sich das E-Collective (mit Blanchard an der Trompete, Charles Altura an der Gitarre, Fabian Almazan an Klavier und Synthesizer, Oscar Seaton am Schlagzeug und David “DJ” Ginyard am Bass) auch auf “Live” wieder experimentell, elektrisch und exotisch. “Ich habe diese Gruppe eigentlich nicht als Protestband zusammengestellt”, sagt Blanchard über die Ursprünge. “Wir wollten anfangs Musik spielen, um junge Leute, die keinen Jazz spielen wollten, zu inspirieren, Instrumentalmusik auf höchstem Niveau zu machen.” Doch angesichts der zunehmenden Gewalt in den USA beschloss die Band auf ihrem Debütalbum, das 2016 für einen Grammy nominiert war, Stellung zu beziehen. Auf “Live” geschieht dies nun nur noch expliziter.
“Wenn man ein gewisses Alter erreicht, fragt man sich:'Wer wird sich erheben und für uns sprechen?' Dann schaut man sich um und stellt fest, dass die James Baldwins, Muhammad Alis und Dr. Kings nicht mehr unter uns weilen… und beginnt zu verstehen, dass man nun selbst aktiv werden muss”, sagt Terence Blanchard. “Auf meinem Lebensweg hatte ich das Glück, vielen inspirierenden Menschen persönlich zu begegnen. Wie könnte ich es da wagen, nicht ihrem Beispiel zu folgen? Wie jeder andere auch würde ich gerne ausgelassene Partymusik spielen, aber dieses Album handelt von der Realität, in der wir uns befinden.”