Über den kauzigen Thelonious Monk sind viele Legenden im Umlauf. Auf seiner letzten großen Tournee 1971 soll er laut Bassist Al McKibbon, der ihn damals zusammen mit Dizzy Gillespie, Sonny Stitt, Kai Winding und Art Blakey begleitete, geschlagene zwei Worte gesprochen haben. Monk begründete dies später damit, dass McKibbon und Blakey “so häßlich waren”, dass es ihm die Sprache verschlagen hatte. Zwei Jahre zuvor war der Pianist noch wesentlicher redseliger und umgänglicher gewesen. Das beweist die jetzt erscheinende CD/DVD-Weltpremiere “Paris 1969”, die ein Konzert dokumentiert, das der Pianist mit einem neuformierten Quartett am 15. Dezember 1969 im berühmten Salle Pleyel in Paris absolvierte. Bei dem in einem wunderbaren Schwarzweißfilm festgehaltenen Konzert trat als Überraschungsgast außerdem der Schlagzeuger Philly Joe Jones auf, der zwischen 1955 und 1958 Mitglied des legendären Miles Davis Quintet gewesen war. Die DVD enthält zudem ein Interview, das der französische Bassist Jacques Hess nach dem Konzert mit Monk führte.
“Das Pariser Konzert von 1969 zeigt die Kraft und unverminderte Schönheit von Monks Musik und erinnert uns daran, dass seine musikalische Phantasie auch mit zunehmendem Alter keine Grenzen kannte”, schreibt der Monk-Forscher und -Biograph Robin Kelley in seinem Booklet-Essay. 1969 war für den damals 52-jährigen Pianisten ein Jahr gewesen, das ihn vor besondere Herausforderungen stellte. Monk hatte nicht nur mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, sondern auch mit einem plötzlichen Popularitätsschwund, der durch das Aufkommen der Rockmusik und die Entstehung der Jazz-Fusion-Bewegung verursacht worden war. Monks Label Columbia Records versuchte vergeblich, seinen Star dem jüngeren Rockpublikum zu verkaufen. Dann verließen auch noch Schlagzeuger Ben Riley und Bassist Larry Gales Monks Band und zwangen den Leader kurz vor seiner Europa-Tournee dazu, sein Quartett neu zu besetzen. Ersatz fand der Pianist in zwei jungen, noch unerfahrenen Musikern: Bassist Nate Hygel und Drummer Paris Wright. Bei einem längeren Engagement in London und Gastspielen in Deutschland und Italien gelang es der Band (der außerdem noch der Monk-Veteran und Saxophonist Charlie Rouse angehörte) die richtige Chemie herzustellen. Und als das Quartett dann schließlich in Paris ankam, war man bestens eingespielt. Bei seinem ersten Auftritt in Paris hatte Monk fünfzehn Jahre zuvor ein denkwürdiges Debakel erlitten, weil das Publikum seine “avantgardistische” Musik schroff ablehnte. Diesmal reagierte es ganz anders und feierte den eigenwilligen Musiker, dessen Konzert sogar im Fernsehen übertragen wurde, frenetisch.
Zu hören (und sehen) ist das Quartett hier mit Monk-Klassikern wie “I Mean You”, “Straight No Chaser” und “Blue Monk”. Darüber hinaus interpretiert der Leader solo die Titel “Don’t Blame Me”, “I Love You, Sweetheart Of All My Dreams” und “Crepuscule With Nellie”. Das Highlight des Konzerts war aber, als sich der damals in Paris lebende Philly Joe Jones zu Monk auf die Bühne gesellte, von dem 17-jährigen Wright die Schlagzeugstöcke lieh und in “Nutty” eine rhythmische Galavorstellung gab.