Der 1942 in polnischen Rzeszów geborene Trompeter Tomasz Stanko ist heute der vielleicht bedeutendste Jazz-Botschafter seines Landes.Wenngleich spätestens seit dem Mauerfall auch für ihn die musikalischen Grenzen nicht mehr von nationalen bestimmt werden.
Denn bereits vor 1990 war Stanko in der glücklichen Situation, nicht nur mit allen großen Jazz-Musikern seines Landes zu spielen. Stanko hatte in den 70ern und 80ern Jahren ausreichend Kontakt zur europäischen und US-amerikanischen Szene, so dass sich sein Stil in alle Richtungen entwickeln konnte. Angefangen hat aber alles auch bei ihm in einem musikalischen Elternhaus, studierte er nach Klavier- und Geigenunterricht an der Musikhochschule Krakau Trompete. Auslöser für Stankos Interesse für den Jazz war einerseits ein Live-Konzert von Dave Brubeck 1958. Zum anderen “gehörten damals schon Miles Davis und John Coltrane zu meinen Favoriten. Später kamen noch Ornette Coleman, George Russell und besonders Max Roach’s Quintett mit Fats Navarro dazu”, erinnert sich Stanko. Nach der ersten, zusammen mit dem Pianisten Adma Makowicz gegründeten Jazz-Band “Jazz Darings” hatte er 1965 sein professionelles Debüt bei Krzysztof Komeda: “Er war so etwas wie ein Guru für mich, besonders als Komponist. Er zeigte mir, wie einfach Lebendigkeit sein kann, wie man das Entscheidene spielt, ohne die unterschiedlichsten Harmonien, Asymmetrien und vielen kleinen Details auszublenden. Ich kann wirklich glücklich sein, dass ich meine Karriere mit so einem Lehrer beginnen durfte.” Mit Komeda spielte Stanko 1966 die Platte “Astigmatic” ein, die zu den Standards der polnischen Jazz-Geschichte gehört. Danach folgten Tourneen durch Jugoslawien, Tschechoslowakei und Skandinavien, arbeitete er mit dem Pianisten Andrzej Trzaskwoski zusammen, bis er 1968 sein Quintett mit dem Tenor-Saxophonisten Janusz Muniak aufbaute. Bis 1973 gastierte das Ensemble auf allen großen Festivals, wobei Stanko immer wieder die Zeit blieb, bei anderen Projekten mitzuwirken: ob in Manfred Schoofs Trumpet Summit in Nürnberg oder beim Hamburger Jazz-Workshop des NDR; ob im European Free Jazz Orchestra mit Don Cherry, Albert Mangelsdorff und Gerd Dudek, ob in Alexander von Schlippenbachs Globe Unity Orchestra. Von 1974–1978 leitete Stanko mit dem Finnen Edward Vesala ein Quartett, über das Stanko zugleich erstmals Kontakt zu Manfred Eicher bekam, den Produzenten des Münchner Labels ECM. Doch zu einer gemeinsamen Arbeit kam es erst in den 90er Jahren, mit dem Album “Litania”, auf dem Stankos Septett Soundtracks von Komeda spielen, die er für Roman-Polanski-Filme komponiert hatte. Weitere Alben mit John Surman, Dino Saluzzi, Terje Rypdal und Bobo Stensson folgten. Anfang der 80er Jahre entstand das berühmte Solo-Album “Music from Taj Mahal and Karla Caves”, später ging Stanko u.a. mit Jan Garbarek, Cecil Taylor und Jack DeJohnette ins Studio und auf Tournee. Heute lebt Stanko in Warschau.