Verve By Request Serie – Jazz, mal groovig geerdet, mal kosmisch abgehoben
Zwei Klassiker ganz unterschiedlicher Jazzströmungen der 1970er: Während Saxofonist Bennie Maupin kompromisslosen Jazz-Funk spielt, widmet sich sein Instrumentalkollege Pharoah Sanders dem Spiritual Jazz.
Verve By Request Vinyl Serie: Pharoah Sanders "Love In Us All" / Bennie Maupin "Slow Traffic To The Right"
16.04.2025
Bei der Verve By Request Serie ist der Titel Programm: sie soll Repertoirelücken schließen, auf die Fans das Label immer wieder hinweisen. Die Serie konzentriert sich auf seltene und von LP-Sammlern oft geforderte Perlen aus dem Stall von Verve und seinen Schwesterlabels wie Impulse, Mercury und Emarcy. Kuratiert wird die Serie zusammen mit dem für seine hochwertigen Veröffentlichungen bekannten US-LP-Label Third Man Records. Remastert wird, wann immer möglich, von den analogen Originalbändern, gepresst in 180g bei Third Man Pressing/Detroit.
Bennie Maupin – Slow Traffic To The Right
Als Ende der 1960er Jahre die Fusionmusik zum “heißen neuen Ding” in der Jazzszene wurde, avancierte der Saxofonist, Bassklarinettist und Flötist Bennie Maupin schnell zum gefragten Mann. Denn in seiner Heimatstadt Detroit hatte Maupin nicht nur progressive Jazzluft geschnuppert. Da Motown Records dort seinen Sitz hatte, bot sich dem jungen Musiker auch reichlich Gelegenheit, mit R&B-, Soul-, Gospel- und Blues-Acts zu arbeiten. So war er bestens vorbereitet, als Miles Davis ihn in seine Band holte, um mit ihm “Bitches Brew” und andere bahnbrechende Fusionklassiker aufzunehmen. Und auch auf sensationellen Alben von Herbie Hancock (u.a. “Mwandishi” und “Head Hunters”) wusste er sich glänzend in Szene zu setzen.
Die Erfahrungen mit Miles und vor allem mit Herbie spiegelten sich 1977 auch in den sehr groovigen Jazz-Funk-Nummern von Bennie Maupins zweitem Soloalbum “Slow Traffic To The Right” deutlich wider. Zu hören ist er hier mit einer Reihe hochkarätiger Musiker, die in den 1970er Jahren Mitglieder verschiedener Bands von Herbie Hancock waren: dem Bassisten Paul Jackson, dem Schlagzeuger James Levi, dem Gitarristen DeWayne “Blackbyrd” McKnight (der später lange mit George Clintons Parliament-Funkadelic spielte), dem Trompeter Eddie Henderson und dem Synthesizer-Pionier Patrick Gleason, der “Slow Traffic To The Right” auch produzierte. Abgerundet wird das Line-Up durch die wunderbare Patrice Rushen an Klavier, Fender Rhodes und Clavinet sowie den Pianisten Onaje Allan Gumbs.
Pharoah Sanders – Love In Us All
Ein Jahrzehnt lang hatte Pharoah Sanders als Sideman von John und Alice Coltrane sowie mit seinen eigenen Alben den revolutionären Sound von Impulse! Records entscheidend mitgeprägt. Auf “Love In Us All”, seinem vorletzten Album für das Label, zog der Saxofonist 1974 noch einmal alle Register und zollte zugleich seinem Mentor John Coltrane auf wunderbare Weise Tribut: in zwei epischen Nummern (“Love Is Everywhere” und “To John”), die jeweils eine ganze LP-Seite füllten und Hörer/innen vom ersten bis zum letzten Ton in ihren Bann zogen.
Als der Saxofonist 2022 im Alter von 81 Jahren starb, stellte Ted Davis für das amerikanische Musikmagazin Paste eine Liste mit den zehn besten Songs von Pharoah Sanders zusammen. Auf Platz 1 landete dort nicht etwa das weitaus bekanntere “The Creator Has A Master Plan”, sondern “Love Is Everywhere”. “Sanders’ Musik wird oft als spiritueller Jazz bezeichnet”, schrieb Davis dazu, “aber sein Katalog enthält alles von schmerzlichen Klageliedern bis hin zu rasendem Bebop. ‘Love Is Everywhere’ fängt seinen Sound in seiner wunderbarsten kosmischen, esoterischen und erleuchtenden Form ein – eine perfekte Destillation all dessen, was ihn zu einem so einzigartigen und unvergesslichen Künstler gemacht hat.”
Aufgenommen hatte Pharoah Sanders, der hier neben Tenor- und Sopransax auch Flöte spielt, dieses Album mit dem Pianisten Joe Bonner, dem Flötisten James Branch, dem Bassisten Cecil McBee, dem Schlagzeuger Norman Connors sowie den drei Perkussionisten Badal Roy, James Mtume und Lawrence Killian.