Verve By Request Serie – zwei Klangmagier der besonderen Art
Während sich der Tenorsaxofonist Archie Shepp 1967 auf “The Magic Of Ju-Ju” erstmals mit dem dem Thema Panafrikanismus beschäftigte, schlug sein Avantgarde-Kollege, der Altsaxofonist Marion Brown, 1975 auf “Vista” überraschend entspannte, melodiöse Töne
Verve By Request Vinyl Serie: Marion Brown "Vista" / Archie Shepp "The Magic Of Ju-Ju"
14.03.2025
Bei der Verve By Request Serie ist der Titel Programm: sie soll Repertoirelücken schließen, auf die Fans das Label immer wieder hinweisen. Die Serie konzentriert sich auf seltene und von LP-Sammlern oft geforderte Perlen aus dem Stall von Verve und seinen Schwesterlabels wie Impulse, Mercury und Emarcy. Kuratiert wird die Serie zusammen mit dem für seine hochwertigen Veröffentlichungen bekannten US-LP-Label Third Man Records. Remastert wird, wann immer möglich, von den analogen Originalbändern, gepresst in 180g bei Third Man Pressing/Detroit.
Archie Shepp – Magic Of Ju-Ju
Der Tenorsaxofonist Archie Shepp war nie ein Mann besonders moderater Töne. Aber so radikal, furios und zugleich magisch wie im Titelstück von “The Magic Of Ju-Ju” hat man ihn auch nur selten erlebt. Das Album war 1967 das erste in einer Reihe von Aufnahmen, auf denen sich der politisch engagierte Saxofonist mit dem Thema Panafrikanismus auseinandersetzte. Angetrieben von den hypnotisierenden Rhythmen der drei Perkussionisten Frank Charles (Talking Drum), Ed Blackwell (Log Drum) und Dennis Charles (Triangle) beginnt Shepp das Album mit einer buchstäblich atem(be)raubenden, über 18-minütigen Tour de Force an der Schnittstelle zwischen Free Jazz, afrikanischen Einflüssen und Spiritual Jazz. Nach etwa sechs Minuten steigen die beiden Schlagzeuger Norman Connors und Beaver Harris gemeinsam mit dem Bassisten Reggie Workman ein, das Stück gewinnt an Intensität und nimmt nun richtig Fahrt auf. Erst in der allerletzten Minute gesellen sich zum krönenden Finale auch noch der Trompeter Martin Banks und der Posaunist Mike Zwerin für ein paar Chorusse zum Ensemble.
In eher traditionellen Jazzgefilden, aber gespickt mit humorvollen Einlagen und freien Ausbrüchen, bewegt sich die Band dann auf der zweiten Seite des Albums. Hier präsentiert Shepp drei Eigenkompositionen, die auch gut in das Repertoire des Lester Bowie der 80er Jahre gepasst hätten: den amüsanten Jazzwaltz “You’re What This Day Is All About”, das fast schon boppige “Shazam” und schließlich das Stück “Sorry ‘Bout That”, in dem raffiniert mit Elementen von Soul-Jazz, Blues und Hardbop jongliert wird. Eine besondere Erwähnung in diesem rundum exzellenten Ensemble verdient der weniger bekannte Trompeter Martin Banks (1936–2004) aus Austin, Texas – denn nicht jeder kann von sich behaupten, in seiner Karriere mit so illustren Größen wie Duke Ellington, Count Basie, James Brown, B.B. King, Lionel Hampton, Dizzy Gillespie und Sun Ra zusammengearbeitet zu haben.
Marion Brown – Vista
An der Seite von John Coltrane (auf dessen Album “Ascension”) und Archie Shepp (auf “Fire Music”) gehörte der Altsaxofonist Marion Brown Mitte der 1960er Jahre bei Impulse! Records zur Speerspitze der avantgardistischen “New Wave in Jazz”. Von einer ganz anderen Seite – sehr entspannt, meditativ und melodienselig – zeigte sich Brown dagegen 1975 auf “Vista”, seinem vierten und zugleich letzten Album für das Label.
Zu hören ist er hier im Zusammenspiel mit unter anderem den Pianisten Stanley Cowell, Anthony Davis und Bill Braynon, dem Bassisten Reggie Workman, den Schlagzeugern Jimmy Hopps und Ed Blackwell sowie Harold Budd, einem Pionier der Minimal und Ambient Music. So eklektisch wie das Ensemble ist auch das Repertoire des Albums, das in erster Linie aus Kompositionen von Brown, Cowell, Budd und Braynon besteht, aber auch mit einer impressionistischen und zutiefst meditativen Version von Stevie Wonders “Visions” überrascht.