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Wayne Shorter – der “musikalische Innendekorateur”

Wayne Shorter - 5 Original Albums
Wayne Shorter - 5 Original Albums
20.01.2017
“Ich betrachte Musik als Innendekoration”, hat Wayne Shorter einmal gesagt. “Erst wenn man alle Arten von Musik beherrscht, ist man komplett ausgestattet.” Seit annähernd sechzig Jahren mischt der Saxophonist nun schon in seinen Kompositionen und Improvisationen immer wieder neue, überraschende Kombinationen von Klangfarben zusammen, erkundet harmonisches Neuland und experimentiert mit unterschiedlichsten Rhythmen. Während viele der Kollegen, die einst wie er zu den kühnen Pionieren des Jazz gehört hatten, irgendwann in ruhigere und sicherere Gewässer steuerten, sucht Shorter noch immer unermüdlich nach neuen Herausforderungen. Selbst bei Kollaborationen mit Pop- und Rockgrößen wie Joni Mitchell, den Rolling Stones, Carlos Santana, Milton Nascimento, Steely Dan (zum Titeltrack des Albums “Aja” steuerte er 1977 eines der mitreißendsten und denkwürdigsten Tenorsaxsoli aller Zeiten bei) oder Don Henley ging Shorter nie faule Kompromisse ein. Bis heute umgibt ihn deshalb eine ganz besondere Aura. “Sein Spiel”, bemerkte der deutsche Kritiker Bert Noglik 2013 treffend, “wird als poetisch, rätselhaft und zugleich natürlich und in sich völlig logisch charakterisiert.”
All dies offenbarte Wayne Shorter bereits auf den bahnbrechenden elf Alben, die er zwischen 1964 und 1967 für Blue Note einspielte, in einer Zeit, in der er auch Mitglied von Miles Davis’ zweitem legendären Quintett mit Herbie Hancock, Ron Carter und Tony Williams war. Als Solist und Komponist hatte sich Shorter aber schon zuvor in einer der besten Reinkarnationen von Art Blakey’s Jazz Messengers profiliert. Fünf der frühen Blue-Note-Meisterwerke von Wayne Shorter erscheinen nun zusammen in der preiswerten Box “5 Original Albums”, die mit Original-LP-Artwork, Stecktaschen-CDs und einem attraktiven Schuber ausgestattet ist.
Night Dreamer (1964)
1964 war für Wayne Shorter ein Jahr großer Umbrüche. Zum einen verließ er Art Blakey’s Jazz Messengers, um beim stilistisch moderner ausgerichteten Quintett von Miles Davis einzusteigen, zum anderen legte er mit “Night Dreamer” sein erstes Album bei Blue Note vor, auf dem er als Komponist neue Wege beschritt. Während er früher sehr detailreiche Stücke geschrieben hatte, fand er nun zu einem einfacheren Ansatz: “Ich war es gewohnt, viele Akkordwechsel zu verwenden”, sagte er damals. “Aber jetzt verstehe ich es, die Spreu vom Weizen trennen.” Begleitet wurde Shorter von Trompeter Lee Morgan und derselben Rhythmusgruppe, die 1961 John Coltrane bei der Aufnahme von “Africa/Brass” zur Seite gestanden hatte: McCoy Tyner, Reggie Workman und Elvin Jones.
The Soothsayer & Etcetera (1965)
Man kann heute nur darüber spekulieren, welche Teufel Alfred Lion 1965 geritten hatten, so dass er die beiden Alben “The Soothsayer” und “Et Cetera” nicht gleich herausbrachte, sondern in den Archiven von Blue Note vor der interessierten Öffentlichkeit versteckte. Shorter war damals einer der angesagtesten Saxophonisten, hatte mit “Night Dreamer”, “JuJu” und “Speak No Evil” schon drei fabelhafte Alben bei dem Label herausgebracht und präsentierte sich auch hier in bester Form und mit exzellenten, namhaften Partnern (einmal Freddie Hubbard, James Spaulding, McCoy Tyner, Ron Carter und Tony Williams, dann Herbie Hancock, Cecil McBee und Joe Chambers). Das Material bestand, wie bei Shorter üblich, fast ausschließlich aus Eigenkompositionen. Die beiden einzigen Ausnahmen waren aber nicht minder interessant: auf “The Soothsayer” überrascht Shorter mit einem Arrangement der “Valse Triste” des finnischen Komponisten Jean Sibelius und auf “Etcetera” mit einer Bearbeitung von Gil Evans’ “Barracudas”. “The Soothsayer” erschien erst 1979 bei Blue Note, “Et Cetera” sogar noch ein Jahr später.
Adam’s Apple (1966)
“Blue Note hat nie versucht, mich zu kommerziellen Alben zu verführen”, verriet Wayne Shorter 2004 in einem Interview. “Sie nahmen nur gelegentlich den Schlagzeuger zur Seite und baten ihn, eine Sache mit etwas mehr Groove zu spielen. Auf ‘Adam’s Apple’ erfüllten wir diesen Wunsch.” Mit Herbie Hancock, Reggie Workman und Joe Chambers hatte Shorter 1966 bei der Einspielung des Albums allerdings eine exzellente Rhythmusgruppe, die auch ohne ausdrückliche Aufforderung zu grooven verstand. Auf dem Album präsentierte Shorter übrigens erstmals den Klassiker “Footprints”, der noch heute fester Bestandteil seines Repertoires ist.
Schizophrenia (1967)
Der Titel von Shorters letztem Blue-Note-Album kommt nicht von ungefähr. “Diese Musik bewegt sich an der Grenze zwischen Post-Bop und Free-Jazz”, meint Stephen Thomas Erlewine im All Music Guide, “sie wurzelt im Post-Bop, weiß aber, was auf der anderen Seite der Grenze vor sich geht. Ein paar Jahre später sollte Shorter diese Grenze überschreiten, aber ‘Schizophrenia’ knistert vor Spannung, weil er und seine Kollegen versuchen, die beiden Extreme auszubalancieren.” In Curtis Fuller, James Spaulding, Herbie Hancock, Ron Carter und Joe Chambers hatte Shorter genau die richtigen Gefährten für diese atemberaubende Gratwandlung gefunden.