Mit “Orchestras” hat der Gitarrist Bill Frisell mit seinem Trio und zwei unterschiedlichen Orchestern ein ambitioniertes Album für Blue Note eingespielt, das man getrost und durchaus doppeldeutig als Opus magnum bezeichen kann.
Bill Frisell(c) Matthew Septimus
18.04.2024
In Deutschland exklusiv im JazzEcho-Store erhältlich: die 3-LP-Version des Albums mit sieben weiteren Aufnahmen zusammen mit der Brussels Philharmonic und signierter Art Card.
Seit über vierzig Jahren gilt Gitarrist Bill Frisell in der Szene als so eine Art Allzweckwaffe. Nur wenige Musiker sind so wandlungsfähig und vielseitig einsetzbar wie er und verfügen dabei trotzdem über eine unverkennbar eigene Stimme auf ihrem Instrument, das er – wie schon öfter zu lesen und zu hören war – wie ein Orchester klingen lassen kann.
Auf “Orchestras”, seinem nunmehr vierten Album für Blue Note, war dies indes nicht nötig. Denn das hat er bei Konzerten in Europa mit zwei Orchestern eingespielt, die sich, was Dynamik und Agilität anbelangt, deutlich voneinander unterscheiden: zum einen mit der fast 60-köpfigen Brussels Philharmonic, zum anderen mit dem elfköpfigen Umbria Jazz Orchestra. Stets mit von der Partie waren aber auch Bassist Thomas Morgan und Schlagzeuger Rudy Royston, mit denen Frisell schon seit fast zehn Jahren ein festes Trio bildet und vor vier Jahren das Album “Valentine” für Blue Note aufnahm. Der immensen Herausforderung, die ebenso stimmungsvollen wie komplexen Arrangements für diese beiden grundverschiedenen Klangkörper zu schreiben, stellte sich ein alter Freund, Lehrer und Mentor von Frisell: der mittlerweile 86-jährige Michael Gibbs.
Neben einer CD und einem regulären Vinyl-Doppelalbum von “Orchestras” gibt es exklusiv im JazzEcho-Store noch eine spezielle Vinyl-Edition. Diese bietet auf einer dritten LP sieben Bonus-Tracks mit u.a. traumhaft schönen Versionen von Henry Mancinis “Moon River”, Billy Strayhorns “A Flower Is A Lovesome Thing” und Burt Bacharachs “What The World Needs Now Is Love”.
Wie so oft bei seinen Projekten nutzt Bill Frisell ein im Grunde einfaches Konzept und ein vertrautes Repertoire, das sich aus seinen (teils neuen, teils jahrezehntealten) eigenen Kompositionen und Jazzstandards zusammensetzt. Der Gitarrist beherrscht den Trick, selbst den bekanntesten Nummern immer wieder neues, anderes Leben einzuhauchen.Wunderbar veranschaulicht wird das vor allem in zwei Nummern, die es hier in jeweils einer Version mit der Brussels Philharmonic und dem Umbria Jazz Orchestra gibt: Ron Carters “Doom” und Frisells “Electricity”. Dabei halfen dem Gitarristen allerdings auch die exzellenten Arrangements von Gibbs, die mal an die Arbeiten von Gil Evans oder den Third-Stream-Maestro Gunther Schuller erinnern, dann wieder eine Atmosphäre heraufbeschwören, die auch gut zu einem Filmklassiker von Alfred Hitchcock oder Fritz Lang gepasst hätte. Das Trio selbst genießt in diesem Rahmen alle Freiheiten. Das Ergebnis ist eine einzigartige Aufnahme, bei der sich die beiden Orchester wie von selbst bewegen und das ungemein wendige Bill Frisell Trio von einer spontanen Entdeckung zur nächsten anspornen.