“Die Essenz des Blue-Note-Katalogs auf zwei CDs bündeln zu wollen, ist eine verrückte und höchst subjektive Aufgabe – in etwa so, als würde man versuchen, alle Gemälde des Louvre auf eine Briefmarke zu drucken”, schreibt Don Was in seinem Vorwort zur Compilation “Blue Spirits: 85 Years Of Blue Note Records”. “Auch wenn wahrscheinlich so ziemlich jeder in meiner Auswahl die eine oder andere Aufnahme schmerzlich vermissen wird, gibt es doch eine Sache, über die wir uns alle sicher einig sein können: Im Laufe der Jahre haben etliche der brillantesten Musikerinnen und Musiker aller Zeiten bei Blue Note Records veröffentlicht. Die Schönheit und Bedeutung ihrer Musik kann einfach nicht geleugnet werden.”
Das Projekt “Blue Spirits” war ursprünglich nur für Universal Music Japan geplant, wird jetzt aber erfreulicherweise weltweit veröffentlicht, inklusive des ansonsten nur von japanischen Importen bekannten sogenannten „Obi-Strip“. Auf Japanisch bedeutet Obi in etwa “Gürtel” oder “Schärpe”. Bei Schallplatten und CDs werden in Japan auf den Obis alle Informationen untergebracht, die nicht auf dem Produkt selbst zu finden sind, z.B. Logos, Verkaufsargumente, Textübersetzungen, Katalognummern, Barcodes und ähnliches. Für Sammler japanischer Tonträger ist der Obi-Streifen fester Bestandteil des Produktes, fehlt er, sinkt der Sammlerwert deutlich.
Aber natürlich soll es bei “Blue Spirits” nicht vornehmlich um den Obi, sondern um die von Don Was kompetent ausgewählten 24 Blue-Note-Tracks gehen. Seit 2012 ist Was, der als Musiker und Produzent selbst auf mehr als ein halbes Jahrhundert Erfahrung zurückblicken kann, bei Blue Note am Ruder. Schon als Teenager war er ein glühender Fan des Labels, das er heute mit viel Enthusiasmus und kreativer Ader erfolgreich leitet. Ihm ist es gelungen, den beiden CDs einen überzeugenden Flow zu geben. Die erste füllte er mit Aufnahmen von historischen Größen wie Thelonious Monk, Miles Davis, John Coltrane, Art Blakey & The Jazz Messengers, Wayne Shorter und Ornette Coleman, die zweite mit Einspielungen zeitgenössischer Künstler/innen wie Robert Glasper, Meshell Ndegeocello, Gregory Porter, Norah Jones, Cassandra Wilson, Charles Lloyd, Bill Frisell und Nduduzo Makhathini. Dass sich Don Was bei seiner persönlichen Auswahl einige überraschende Freiheiten herausgenommen hat, ist selbstredend. Schließlich konnte es ihm auch nur so glücken, den freien Geist von 85 Jahren Blue Note einzufangen.