Das amerikanische Jazzmagazin Down Beat bezeichnete Craig Taborn kürzlich als einen der Visionäre der jüngeren Musikergeneration. Und beim letztjährigen North Sea Jazz Festival wurde der Pianist und Keyboarder für seine “außerordentliche Musikalität” mit dem Paul Acket Award ausgezeichnet, den vor ihm schon der Pianist Stefano Bollani (2009) sowie die Trompeter Christian Scott (2010) und Arve Hendriksen (2011) erhalten hatten. Für sein Piano-Soloalbum “Avenging Angel” wurde er 2011 von der internationalen Kritik mit Lob überschüttet und u.a. in der New York Times auf eine Stufe mit stilprägenden Improvisatoren wie Keith Jarrett und Paul Bley gestellt. Auf seinem neuen Album “Chants” definiert Taborn mit seinen langjährigen Partnern Thomas Morgan und Gerald Cleaver nun das Spiel im klassischen Piano-Trio-Format neu. Rechtzeitig zur Veröffentlichung kommt das Craig Taborn Trio Anfang April auch für vier Konzerte nach Deutschland.
“Chants” ist zwar das erste Album des Trios, aber tatsächlich spielen die drei Musiker in dieser Konstellation schon seit acht Jahren zusammen und haben etliche Tourneen unternommen. Doch Taborns Beziehungen mit Cleaver und Morgan reichen noch viel weiter zurück. Mit den Schlagzeuger spielte der Pianist das erste Mal vor 25 Jahren, als beide noch Studenten an der University of Michigan waren. “Ich kam aus Minneapolis und kannte niemanden. Gerald stammte aus Detroit und war schon in der dortigen Szene aktiv. Er hatte Verbindungen, und so begannen wir in Detroit unsere Zusammenarbeit mit James Carter und anderen.” Taborn und Cleaver machten ihr ECM-Debüt 1997 als Mitglieder von Roscoe Mitchells Band Note Factory auf dem Album “Nine To Get Ready”. Seitdem haben sie in vielen Kontexten miteinander gearbeitet, darunter auch in diversen Inkarnationen des Craig Taborn Trios. Beide gehören auch dem Quartett des Bassisten Michael Formanek an, mit dem sie die ECM-Alben “The Rub And Spare Change” und “Small Places” einspielten.
Ein Trio, das Herausforderungen liebt
Den Bassisten Thomas Morgan lernte Taborn kennen, als dieser noch ein junger Student an der der Manhattan School of Music war. Seitdem verfolgte er seine Entwicklung aufmerksam. Als sie dann 2006 in der Band des Saxophonisten David Binney erstmals zusammenarbeiteten, galt Morgan bereits als einer der interessantesten jungen Bassisten der New Yorker Szene. “Ich glaube, dass ich die Musik dieses Albums mit keinem anderen Bassisten spielen könnte. Thomas wird zwar vornehmlich als großartiger ‘freier’ Bassist wahrgenommen, aber tatsächlich gibt es auch niemanden, der komponierte Passagen so getreu spielt wie er. Er folgt dem essentiellen Konzept sehr strikt und hilft so, es umzusetzen. Diese Musik ist in einigen Aspekten sehr anspruchsvoll und hat recht komplexe Strukturen – er begrüßt solche Herausforderungen. Und Gerald tut dies auch.”
“Wenn ich ein musikalisches Ziel habe, dann ist es das, Freiraum zu lassen. Man hat immer die Möglichkeit, diesen zu füllen und zu nutzen. Ich mag es, mir Optionen offen zu halten. Ich bin sehr daran interessiert, die Grenzen, innerhalb derer man etwas kreieren kann, zu erweitern. Ruhige und delikate Musik interessiert mich nicht um ihrer selbst willen. Aber je sanfter man spielt, desto wuchtiger wirkt es, wenn man dann lauter wird. Als Hörer bevorzuge ich lautere, dichtere, extremere Musik, und das verliere ich nie aus dem Auge.”
Auch Intuition spielt in der oftmals hochkomplexen Musik dieses Trios eine große Rolle. “Ich versuche wirklich, den Bann nicht dadurch zu brechen, dass ich Dinge zu sehr definiere. Wenn man jeden frei spielen lässt, dann ist man kein Komponist. Aber wenn den stilistischen Ansatz zu sehr diktiert, dann nutzt man das Potential seiner Musiker nicht.” Auf “Chants” hat das Trio genau die richtige Mischung gefunden, verliert sich einerseits nicht in der gewährten Freiheit und lässt sich andererseits auch nicht von allzu engen Vorgaben an die Kette legen.