“Ich möchte jemanden haben, der mir den echten Flamenco beibringt”, meinte der Jazzbassist Dave Holland, als ihn die Veranstalter des andalusischen “Jazz viene del Sur”-Festivals (Jazz kommt aus dem Süden) vor ein paar Jahren fragten, ob er an einer Begegnungen mit Flamencomusikern interessiert sei. “Ich habe schon mit Musikern aus Afrika, der arabischen Welt und mit Inuits zusammengearbeitet, mit Leuten, die traditionelle japanische Musik, Klassik, Hindu-Musik machen und natürlich mit Jazzern… Aber eine Sache fehlt mir noch in meiner Sammlung: Flamenco.” Jetzt hat der in den USA lebende Engländer, der auch mit 63 Jahren noch stets für Experimente offen ist, mit renommierten spanischen Flamencomusikern das Album “Hands” aufgenommen.
Zunächst hatten die spanischen Organisatoren dem Jazzbassisten entgegenkommen wollen. Deshalb schlugen sie ihm eine Reihe von musikalischen Partnern vor, die ihre Wurzeln zwar im Flamenco haben, aber auch über reichhaltige Erfahrungen im Jazz verfügen. Doch Holland ist bekanntlich kein Mann für halbe Sachen. Und so bestand er darauf, mit einem reinrassigen Flamencomusiker zu arbeiten. Die Wahl fiel auf den Gitarristen Pepe Habichuela, der einer Familie entstammt, die in der Flamencoszene auf eine lange Tradition zurückblicken kann und einen großen Namen besitzt.
Pepes Karriere ist ähnlich verlaufen wie die von Dave Holland: Er lernte sein Handwerk zunächst von der Pike auf, sammelte dann Erfahrung und Reife, indem er die Größen des Genres begleitete, und etablierte sich schließlich selbst als gefragter Solokünstler. Wie Holland erreichte er den Gipfel seiner Karriere, ohne dass sein Prestige oder seine Reputation durch faule Kompromisse Schaden genommen hatten. Und wie Holland gibt er sein gesammeltes Wissen heute als engagierter Lehrer freimütig an nachfolgende Generationen weiter. Pepe Habichuela ist einerseits ein herausragender Ensembleleader und andererseits Begleiter der Stars der Flamencoszene.
Bei einem vorbereitenden Treffen in Sevilla brachte Pepe Dave die Grundrhythmen verschiedener Flamencostile bei: der Bulería, der Soléa, der Seguiriya und des Fandango. Holland nahm die Beats, die Pepe mit seinen Fingerknöcheln auf der Tischplatte trommelte, mit einem tragbaren Recorder auf und setzte sich noch in derselben Nacht in seinem Hotelzimmer hin, um sie auf Notenpapier zu transkribieren. Als dann die erste Probe stattfand, gelang es Dave mit verblüffender Mühelosigkeit, Pepe bei seinen Bulerías zu begleiten. Es schien, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gespielt. Die Seguiriyas hingegen gingen ihm nicht so leicht von der Hand. Habichuela nahm sich ein paar Tage Zeit, um Holland die Feinheiten zu erklären. Danach meisterte der Bassist auch diese Hürde mit erstaunlicher Sicherheit.
Nach einer Reihe von erfolgreichen Konzerten gingen die beiden mit weiteren Mitgliedern des Habichuela-Carmona-Clans ins Studio, um das Album “Hands” aufzunehmen. Das Repertoire, das größtenteils aus der Feder von Pepe stammt, aber auch zwei Kompositionen Dave Hollands bietet, reflektiert vortrefflich die Artenvielfalt innerhalb des Flamenco. Dass Holland ein Meister des Jazz ist, wusste man ja bereits. Dass er auch ein Meister des Flamenco ist, zeigt er nun auf “Hands”.