Der sagenhafte Hammond-B3-Organist Dr. Lonnie Smith meldet sich mit einem Live-Album zurück.
Dr. Lonnie Smith - All In My MindMark Sheldon
12.01.2018
Käpt´n Hammond ist zurück an Bord. Auf seinem neuen Trio-Live-Album “All In My Mind” knüpft Dr. Lonnie Smith munter an sein Comeback an, das den Protagonisten des Soul-Jazz vor zwei Jahren aus der Versenkung zurückholte. Selbst gut informierte Jazzfans verwechseln den Turbanträger hinter dem elektromechanischen Tasten-Monstrum noch manchmal mit seinem Mentor Jimmy Smith oder dem Pianisten Lonnie Liston Smith. Der Sound des Orgel-Schmieds zieht sich jedoch schon durch soul-jazzige Meilensteine der späten 1960er, von George Benson und Lou Donaldson (“Alligator Bogaloo”), gefolgt von Smiths eigenen Souljazz-Perlen auf Blue Note (eingespielt mit dem Saxofonisten Bennie Maupin und dem Trompeter Lee Morgan) wie auch seinen Funk-Meisterwerken der 1970er wie “Afro-Desia” und “Funk Reaction”, allesamt unverzichtbar in den Plattenkisten der Acid-Jazz-DJs. Musikliebhaber verehren den 75-Jährigen als Guru, und seine Auftritte (in Deutschland zuletzt 2017 beim Jazzfest Berlin) sind Zeremonien, ganz besondere Erlebnisse, denn in seiner Person atmet die Modern-Jazz-Geschichte von Monk bis Funk, vom Hardbop bis heute.
Sein neues Trio-Album nahm Smith im Juli 2016 im Zuge eines einwöchigen Engagements im New Yorker Club “Jazz Standard” auf, immerhin anlässlich seines 75. Geburtstags. “All In My Mind” beginnt mit einer kräftig geschüttelten, nicht gerührten Version von Wayne Shorters “Juju”, aus dem gleichnamigen Post-Bop-Album-Meilenstein. Ein Paradestück für den weißbärtigen Hexenmeister plus Assistenten, Gitarrist Jonathan Kreisberg und Schlagzeuger Johnathan Blake. Ruhiger wird es bei einer knapp zehnminütigen Version von Paul Simons 1975er-Pop-Klassiker “50 Ways To Leave Your Lover”. Langsam und beseelt, ein wahres Hammond-Fest ist die Darbietung von Tadd Damerons “On A Misty Night” (am Bekanntesten in der von Dameron 1958 eingespielten Studioversion mit John Coltrane). “Alhambra”, ein eigener Titel Smiths, den er bisher nur live spielte, nimmt die Hörer mit auf eine Reise zu einem mythischen Ort. Inbrünstig soulig legt Smith mit dem Titelsong, dem ebenfalls eigenen “All In My Mind” nach. Im Original ein schwungvoller Boogie, der an Stevie Wonder erinnert, schraubt er hier das Tempo herunter, unterlegt minutiös die facettenreiche Stimme der Gastsängerin Alicia Olatuja – Gänsehaut! Mit einer fröhlichen Fassung von Freddie Hubbards “Up Jumped Spring”, die beim Hörer Frühlingsgefühle weckt, klingt das Album aus.
Smith, den Journalisten als Showman mit der Aura eines Heiligen beschrieben haben, wollte “All In My Mind” live und in einem Guss, sozusagen als Momentaufnahme einspielen. Es sei im Studio zu schwer “das Gefühl des Moments einzufangen”. Live stimme der Vibe, ein Auftritt sei eine “liebevolle Situation”, eine Bühne des Lebens. Nachdem er wie viele seiner Generation dem Zeitgeist in Richtung Funk und Fusion folgte, nachdem er Jimi Hendrix und Beck coverte, hat Smith auf seiner jüngsten Veröffentlichung zur Oldschool zurückgefunden, zu seinen Wurzeln. Meisterhafte Musikalität, empathische zwischenmenschliche Harmonie, ein erweitertes Bewusstsein strahlen durch das neue Oeuvre dieser Lichtgestalt des Jazz.