Er tourte mit
Marvin Gaye, jammte mit den Ex-J.B.'s
Maceo Parker und
Fred Wesley, wurde von
A Tribe Called Quest, dem
Wu-Tang Clan,
Brand Nubian und
U.F.O. gesamplet, zollte auf eigenen Alben Jimi Hendrix sowie Beck Tribut und wurde von der Jazz Journalists Association seit 2003 sage und schreibe neunmal zum “Organisten/Keyboarder des Jahres” ernannt. Trotzdem ist
Dr. Lonnie Smith bei jüngeren Jazzhörergenerationen längst nicht so bekannt wie es etwa
John Medeski oder
Joey DeFrancesco sind. Dabei ist er einer der letzten großen Dompteure jenes sperrigen Biestes, das sich Hammond B3 nennt. Jetzt ist Smith nach 45 Jahren zum
Label Blue Note zurückgekehrt, bei dem er sich einst in den 1960er Jahren mit Soul- und Funk-Jazz einen Namen machte. Auf “
Evolution” zeigt der inzwischen 73-Jährige mit einer jungen Band, bei der oft zwei Schlagzeuger für einen extrafetten Backbeat sorgen, dass er musikalisch nicht stehengeblieben ist. Als Gäste unterstützen ihn dabei Pianist Robert Glasper und der Saxophonist
Joe Lovano, der 1975 sein Plattendebüt auf Dr. Lonnie Smiths Album “
Afrodesia” gab.
Smith – ein Meister mitreißender Grooves, anspruchsvoller harmonischer Voicings und einprägsamer Melodik – ist nach den Titanen
Wayne Shorter,
Bobby Hutcherson und
Charles Lloyd damit die nächste Blue-Note-Legende, die ihre Rückkehr zu dem Label feiert. Auf dem von Don Was produzierten Album gibt der Organist einigen seiner bevorzugten Eigenkompositionen einen strahlenden neuen Anstrich, präsentiert aber auch ein paar bislang unbekannte Werke aus eigener Feder. Zur Seite stehen ihm in seiner exzellenten Band der Holzbläser John Ellis, die Trompeter Maurice Brown und Keyon Harrold, Gitarrist Jonathan Kreisberg sowie die beiden Schlagzeuger Joe Dyson und Johnathan Blake (die in fünf der sieben Nummern zusammen mächtig Dampf machen).
Zwei klassischen Standards verpasste Smith im Trio mit Kreisberg und Blake außerdem eine erstaunliche Rundumerneuerung:
Thelonious Monks Juwel “Straight No Chaser” attackiert er in einem rasanten Uptempo. “Es hat ein etwas anderes Flavor, weil wir die Leute nicht langweilen wollten”, meint Smith. “Man muss sich das Stück zueigen machen. Es ist wie wenn man in ein Haus zieht, in dem vorher schon jemand gelebt hatte. Man bringt seine eigenen Möbel mit, um es zu seinem eigenen Haus zu machen. Bei Monk hofft man nur, dass man die Schönheit seiner Architektur nicht zerstört. Wir glauben, wir haben es geschafft, sie zu erhalten.” “My Favorite Things” ist eines der Stücke, die Dr. Lonnie Smith bei seinen Auftritten mit Vorliebe spielt. “Ich spiele das Leben selbst”, meint der Organist. “Es ist lustig. Musik soll gespielt werden. Das heißt, wenn ein Song an einen herantritt, dann gibt man ihm erst einmal die Hand, und dann spürt man die Vibration der Stille. Man weiß nie, was danach passieren wird. Aber es muss Seele haben. Und das ist etwas, was einem keiner beibringen kann.”