Bassist Eberhard Weber gehört zu den Musikern, die die improvisierte Musik in Europa seit den frühen 70er Jahren entscheidend mitgeprägt haben. Wie vielleicht sonst nur Jaco Pastorius, entwickelte Weber in dieser Zeit einen unverwechselbaren Ton auf einem speziell für ihn gebauten elektrischen Kontrabaß, dessen Möglichkeiten er später bis hin zu einem geradezu orchestralen Klangbild erweiterte.
Zu einer für einen Jazzer – noch dazu für einen deutschen Jazzer – ungewöhnlichen Popularität brachte es Weber, als die junge britische Pop-Diva Kate Bush ihn entdeckte und auf ihren Alben “The Dreaming” (1982), “Hounds Of Love” (1985) und “Sensual World” (1989) mitspielen ließ.
Seine erste ECM-Aufnahme “The Colours Of Chloë” (ECM 1042) von 1973, die noch weitgehend von Celloklängen bestimmt war, zeigte schon deutlich Webers Emanzipation von der Jazztradition amerikanischer Kontrabassisten wie Ray Brown oder Scott LaFaro – und fand gerade deshalb eine enorme Resonanz bei Musikern wie Ralph Towner und Gary Burton.
In der Folge war Weber Mitglied von Towners epochemachender “Solstice”-Gruppe und – zusammen mit Pat Metheny – Gast in den wechselnden Formationen Burtons. Weber selbst arbeitete 1979 auf “Fluid Rustle” wieder mit Burton – und mit Bill Frisell, der dort zum ersten Mal auf Schallplatte zu hören war. Daneben unterhielt Weber zwischen 1975 und 1980 mit Charlie Mariano, Rainer Brüninghaus und Jon Christensen bzw. John Marshall ein festes Quartett namens Colours. Die drei Alben dieses Ensembles – “Yellow Fields” (ECM 1066), “Silent Feet” (ECM 1107) und “Little Movements” (ECM 1186) – zählen noch heute, so unlängst die Schweizer Tageszeitung “Bund”, “zu den großen Leistungen des emanzipierten europäischen Jazz.”
Mit “Endless Days”, seiner ersten Aufnahme unter eigenem Namen seit sieben Jahren, kehrt Eberhard Weber nun zur Quartett-Besetzung mit einem Bläser, Klavier, Bass und Schlagzeug zurück, allerdings unter wesentlich veränderten Vorzeichen.
Eberhard Weber: “Ich wollte mich auf dieser Platte meiner ursprünglichen Liebe, der Klassik, nähern, ohne freilich einen Beitrag zu diesem Genre zu liefern oder eine – ohnehin unmögliche – Fusion anzustreben. Ich bezog lediglich gewisse orchestrale Klänge ein, die, als ich im Studio anfing, mit dem Quartett zu arbeiten, von vorbereiteten Bändern kamen.
Die Musik ist im Prinzip durchkomponiert. Es gibt nur wenige Improvisationen, etwa die Einleitung von Rainer Brüninghaus zu ‘Concerto For Piano’, außerdem die verschiedenen Solobeiträge von Paul McCandless, Rainer und mir zu den arrangierten Teilen der Kompositionen, und natürlich die beiden Baßstücke. Auf ‘Pendulum’ (ECM 1518), meiner letzten Soloeinspielung, habe ich gezeigt, was ich mit meinem Baß so alles anstellen kann. Das wollte ich jetzt nicht wiederholen. Diesmal habe ich das Instrument im Ensemble so eingesetzt, wie es ursprünglich gedacht war: um der Musik ein Fundament und Unterstützung zu geben. Auf Solistisches habe ich bei ‘Endless Days’ bewußt weitgehend verzichtet, die im Jazz leider so verbreitete Selbstdarstellung sollte unterbleiben.”
Die Besetzung ergab sich für Weber während der Arbeit an den Kompositionen. Mit Paul McCandless hatte Weber bereits 1982 bei seiner letzten Ensemble-Aufnahme “Later That Evening” (ECM 1231) zusammengearbeitet. McCandless – zusammen mit Ralph Towner, dem mittlerweile verstorbenen Collin Walcott und Glen Moore, Gründungsmitglied der Gruppe Oregon – hat seit 1972 an ECM-Aufnahmen von Ralph Towner und Oregon sowie den Gruppen Gallery (mit Dave Samuels, David Darling, Ratzo Harris und Michael DiPasqua) und Skylight (mit Art Lande und Dave Samuels) mitgewirkt. “Ich wollte”, so Eberhard Weber, “bei der Auswahl des Melodieinstrumente mehr in Richtung des klassischen Instrumentariums gehen, und so kam ich auf Paul. Er spielt auf der ganzen Platte nur ein einziges Mal Sopransaxophon, ansonsten ausschließlich sogenannte klassische Instrumente: Oboe, Englisch Horn und Baßklarinette. Ich habe zum Teil überaus schwierige Passagen für ihn geschrieben, besonders im Titelstück ‘Endless Days’, und man findet wohl nur wenige, die das so spielen können wie er.”
Michael DiPasqua spielte mit Double Image und – zusammen mit Weber – Anfang der 80er Jahre in der Jan Garbarek Group, bevor der Bassist ihn in sein “Later That Evening”-Projekt integrierte. Weber hat den Schlagzeuger, der sich vor 14 Jahren weitgehend aus der Musikszene zurückzog, für “Endless Days” reaktivieren können: “Ich wollte einen Schlagzeuger mit einem eher perkussiven Background, einen, der nicht die klassischen Jazz-Groove spielt. Zu Beginn der Aufnahme habe ich den Musikern auch etwas launig gesagt: ‘Ihr dürft alles spielen, solange es nicht nach Jazz klingt.’ Damit möchte ich nichts gegen den Drive und die Motorik des Jazz gesagt haben. Aber ich wollte eine offenere musikalische Konzeption, und deshalb habe ich Michael gefragt – und er war sofort von dem Projekt angetan. Ich habe ihm Bänder mit den Kompositionen zur Vorbereitung geschickt, und als er dann ins Studio kam, hat er sehr sensibel und frei gespielt.”
Rainer Brüninghaus hat schon auf “The Colours of Chloë” sowie den drei Colours-Alben mitgespielt. Danach nahm Brüninghaus zwei Alben unter eigenem Namen für ECM auf, “Freigeweht” (ECM 1187) und “Continuum” (ECM 1266). Ende der achtziger Jahre wurde Brüninghaus Mitglied der Jan Garbarek Group, der Weber damals bereits zehn Jahren angehörte. Für “Endless Days” verpflichtete Weber den langjährigen Weggefährten, weil er “jemand ist, der sehr universell einsetzbar ist, als klassischer Musiker ebenso wie als Jazzer; er ist ein hervorragender Notenleser und ein wunderbarer Improvisator. Er kam vor den Aufnahmen zu mir nach Hause und wir haben das Projekt gemeinsam durchgearbeitet; Rainer ist wirklich eine sehr kooperative Persönlichkeit, und da er auch ein wunderbarer Pianist ist, war er für mich eine ideale Besetzungslösung.”
Mit einer Ausnahme wurden alle Stücke eigens für “Endless Days” geschrieben, auch “Solo For Bass” und “A Walk In The Garrigue”, zwei Baß-Soli, die laut Weber “eigentlich auf demselben Fundament entstanden” und hier wie Zäsuren im Ablauf des Albums stehen. Der einzige ältere Titel ist “The Last Stage Of A Long Journey”, der schon als Opener des Albums “Little Movements” fungierte: “Ich habe dieses Stück schon immer sehr gemocht, und es eignet sich vorzüglich für diese Art von Instrumentierung. Ich denke, es ist legitim, ältere Stücke noch einmal neu aufzunehmen. Allerdings sind wir hier mit einem ganz anderen Ansatz an das Stück herangegangen. Gerade in letzter Zeit habe ich einige meiner alten Platten wieder gehört, und da gibt es zum Teil Längen, die ich heute nicht mehr nachvollziehen kann. Vielleicht hat man damals für Wiederholungen oder eine lange Einleitung – wie eben auch bei der ersten Version von ‘The Last Stage Of A Long Journey’ – noch mehr Geduld gehabt als heute. Bei ‘Endless Days’ habe ich bis zuletzt noch Passagen gestrichen, um diese Wiederholungen und Längen zu vermeiden. Überhaupt lege ich großen Wert darauf, daß meine Musik in jedem Moment kurzweilig ist.”