Als Eberhard Weber Mitte der 1980er Jahre damit begann, Solokonzerte zu geben, eilte ihm bereits der Ruf voraus, einer der ganz wenigen Bassisten zu sein, die über eine unverwechselbar eigene Stimme auf ihrem Instrument verfügten. Zu diesem Zeitpunkt hatte er u.a. schon mit Gary Burton, Pat Metheny, Mal Waldron, Jan Garbarek, Ralph Towner, Stéphane Grappelli, Joe Pass und Baden Powell zusammengespielt, war Mitglied des United Jazz & Rock Ensemble, hatte die Sängerin Kate Bush auf ihren Erfolgsalben begleitet und für ECM Records eine Reihe von exzellenten eigenen Alben mit Charlie Mariano, Jon Christensen, Bill Frisell, Norma Winstone, Lyle Mays und Rainer Brüninghaus aufgenommen. Die Solokonzerte kulminierten 1993 in der Aufnahme von Webers einzigem reinen Solo-Bass-Album “Pendulum”. Scott Yanow bewertet es bei AllMusic mit viereinhalb (von fünf möglichen) Sternen und schrieb: “Da er ein starker Komponist ist, der in dieser Zusammenstellung aus melodischen Originalen eine große Bandbreite an Stimmungen abdeckt, und es meidet, seine Soundeffekte als Gimmicks einzusetzen, kreiert Weber ein introvertiertes, aber zugängliches Programm, das nicht nur Liebhaber von Bass-Soli ansprechen dürfte.”
Einige Monate nach der Veröffentlichung von “Pendulum” begab sich Weber mit seinem abenteuerlichen Solo-Programm erneut auf eine ausgedehnte Tournee. In deren Verlauf trat er am 9. August 1994 beim Festival International De Contrebasse, das sein Instrumental- und Label-Kollege Barre Philips organisiert hatte, im Théâtre des Halles im südfranzösischen Avignon auf. Dabei entstand der Mitschnitt, der nun unter dem Titel “Once Upon A Time – Live In Avignon” als Album veröffentlicht wird. In einer Konzertkritik nannte die Financial Times Eberhard Weber damals einen “außergewöhnlichen Bassisten, der es versteht, in allen Stilen zu glänzen”. “Es ist schwer vorstellbar”, fuhr der Text fort, “dass irgendjemand anders spielen könnte, was Weber spielt.”
Über viele Jahre hinweg hat Weber tatsächlich immer wieder bewiesen, dass er über eine ganz besondere musikalische Vision verfügt, die nicht nur auf seine einzigartige Verwendung von Effekten und den Ton seines charakteristischen fünfsaitigen Hybrid-Basses zurückzuführen ist, sondern auch auf seinen persönlichen Background. In einem Gespräch mit dem Magazin Bass Player erklärte er 1994: “Als ich jung war, beneidete ich all die amerikanischen Jazzmusiker und wollte so spielen wie sie, ohne mir allzu viele Gedanken über meine Wurzeln zu machen – die fanden dennoch immer wieder einen Weg in meine Musik. Aber im Laufe der Jahrzehnte wurde mir klar, dass ich ein Europäer bin. Meine Familie ist europäisch und ich bin mit europäischer Klassik aufgewachsen. Ich bin ein klassisch geschulter Musiker; das ist mein eigentlicher Background. Ich bin also kein Jazzbassist – ich spiele europäische improvisierte Musik!” Diese besondere Weise, wie er seine persönliche Stimme angenommen und weiterentwickelt hat, gehört mit zu den Dingen, die den Bassisten von anderen unterscheidet. Der Großteil der Musik, die auf “Once Upon A Time” zu hören ist, stammt von den Alben “Orchestra” (1988) und “Pendulum” (1993). Auf beiden hatte Weber sich intensiv mit der Vielfalt der Klänge befasst, die er allein mit seinem Bass erzeugen könnte. Während er sich bei “Orchestra” auf Musik konzentriert hatte, die er auch live solo nachspielen konnte, machte er auf “Pendulum” häufiger von Overdubs Gebrauch. Im Pressetext meinte er seinerzeit: “Mehr denn je interessiert mich das Endprodukt, und seit einiger Zeit bin ich frei von dem Zwang, beweisen zu müssen, dass eine Person alles allein machen kann.”
Doch genau das tut Eberhard Weber auf “Once Upon A Time”: Indem er auf der Bühne die harmonische Bandbreite von “Pendulum” mit der strukturellen Qualität von “Orchestra” kombiniert, gelingt ihm eine überzeugende Vorführung der musikalischen Möglichkeiten eines einzigen live gespielten Basses. Geringfügige elektronische Manipulationen unterstützen ihn dabei. Die Financial Times merkte damals an: “Das fünfsaitige Instrument hat keinen Korpus, sondern wird über ein elektronisches Delay-Gerät gespielt, das über Fußpedale gesteuert wird. Das ermöglicht Weber, ein fünf Sekunden langes Sample abzurufen, das sich ad infinitum wiederholt und über das eine Phrase nach der anderen gelegt werden kann. Kurzum, Weber improvisiert zu seiner eigenen Begleitung, legt strikte Rhythmen, Akkorde und Harmonien fest und kreiert so einen Live-Dialog mit sich selbst.”
Etliche Stücke des Albums profitieren von der auf Loops basierenden Begleitung, die das Delay-Gerät liefert – darunter “Trio For Bassoon And Bass” und “My Favorite Things”. Sowohl die mehrere Themen umspannende Eigenkomposition als auch der Standard sind mit übereinander geschichteten Zupf- oder Schlagpatterns, Akkordstrukturen und sich beständig intensivierenden Improvisationen durchsetzt. Beide Stücke sind Novitäten in Webers diskographischem Œuvre. Während sich der Standard, dessen Harmonien durch konstante Loops verändert werden, entfaltet, wird deutlich, wie sehr Weber die Musik und sein Instrument beherrscht. Auch bei “Delirium” nutzt der Bassist ein Loop-Fundament für ausgiebige Erkundungen der höheren und tieferen Tonlagen seines Instruments – eine satte Portion an Obertönen eingeschlossen. Bei anderen Darbietungenn stützt er sich weniger auf Effekte und lässt Raum für eine freiere Herangehensweise bei der metrischen und harmonischen Entwicklung.
“Pendulum” offenbart auf Dreiklängen basierende Muster und lässt eine kontemplative Stimmung entstehen, die bei “Silent For A While” und “Air” aufgegriffen, weiterentwickelt und mit feinsinnigen linearen Bewegungen über die Saiten umgestaltet wird. Im direkten Kontrast dazu konzentriert sich Weber bei “Ready Out There” wiederum mehr auf seine technischen Fähigkeiten als Bassist.