Mit “Mercurial Balm” legt
Food nach dem 2010 veröffentlichten “
Quiet Inlet” bereits sein zweites Album bei ECM vor. Im JazzPodium schrieb Heribert Ickerott damals: “Nils Petter Molværs Trompete und die E-Gitarre des Österreichers Christian Fennesz, die das Duo … ergänzen, fügen sich in die weit schwingenden, lyrischen Klanglandschaften ein, als hätten sie schon immer dazu gehört. Der Begriff ’lyrischer Jazz’ erhält durch die ruhig fließende, melodieorientierte, verhalten-melancholische Musik der Band eine aktuelle Bedeutungsvariante.”
Ursprünglich 1998 als Quartett gegründet, formierte sich Food 2006 um und besteht seitdem im Kern aus dem norwegischen Schlagzeuger und Elektronikkünstler
Thomas Strønen sowie dem britischen Saxophonisten
Iain Bellamy. Allerdings gesellen sich zu dem Gespann bei Studioaufnahmen und Live-Performances auch immer
ausgewählte Gastmusiker. Diese Politik der offenen Tür bewirkt zweierlei: Zum einen wird so der Sinn für Überraschendes, zum anderen aber auch eine klangliche Kontinuität gewahrt. Auf diese Weise gewinnt das Ensemble eine flexible Gruppenidentität, die von Strønens treibenden Grooves und Klangfärbungen sowie Ballamys starkem melodischen Sinn durchdrungen ist.
Beschränkung auf das absolut Notwendige “Wir schauen uns nach
klaren und soliden Ideen um”, verriet Strønen kürzlich in einem Radio-Interview. “In einem Jazzensemble kann es passieren, dass zuviel vor sich geht. Deshalb achten wir darauf, uns auf das absolut Notwendige zu beschränken. Um ohne zuviel zu spielen genau das auszudrücken, was wir mitteilen wollen. Es ist besser, wenn man dem Publikum nur
Anhaltspunkte, kleine Hinweise gibt. Alles offen zu gestalten und zugleich die Spannung aufrecht zu erhalten, ist schwierig. Viele Leute nehmen gar nicht wahr, dass wir improvisierte Musik machen. Musik, die eine starke Form hat, kann wie eine Komposition klingen.”
Damit dies funktioniert, bedarf es ähnlich denkender Musiker, die – zumindest im weitesten Sinne – die Vorlieben von Strønen und Bellamy teilen. Ihr Faible für strukturelle Erkundung, lyrische, non-idiomatische Improvisationen und minimalistische Vertonungen, aber auch starke Pulse und die Erschaffung von Soundscapes, Atmosphären und Umgebungen. Die Gastmusiker müssen einen Sinn für all dies besitzen. Aber es gibt natürlich auch Freiraum für andere Perspektiven.
Das Material für “Mercurial Balm” wurde beim Cheltenham Jazz Festival, im Victoria National Jazz Scene Club in Oslo und im Rainbow Studio in Oslo aufgenommen. Als Gäste waren, wie bei “Quiet Inlet”, wieder Trompeter
Nils Petter Molvær und Gitarrist Christian Fennesz mit von der Partie. Darüber hinaus aber auch noch der Gitarrist und Elektroniktüftler
Eivind Aarset sowie Prakash Sontakke mit seiner Slide-Gitarre und Stimme. Sontakkes innovatives Spiel auf der Slide-Gitarre überträgt die expressive emotionale Bandbreite hindustanischer Musik in einen frei improvisierten Kontext. Und es ist besonders spannend, ihn hier an der Seite Eivind Aarsets zu erleben, der in seiner Musik selbst oft Drones verwendet, die man mit “mittelöstlichen” Klängen assoziiert.