Man sagt, die Wiege des Rockabilly stehe in Memphis. Das ist falsch. Denn dort haben sie nur noch nicht mitbekommen, dass Imelda May sie vor ein paar Jahren heimlich geklaut, ein bisschen zeitgemäß aufgemöbelt und in den verwinkelten Hinterhofgassen von Dublin neu aufgestellt hat. Der Beweis: Imeldas neues Album “Tribal”. So fetzig und authentisch, aber auch frisch und humorvoll hat Rockabilly schon lange nicht mehr geklungen.
May erinnert einen auf “Tribal” daran, dass der Rock’n'Roll das Establishment einst in Angst und Schrecken versetzte. Er beflügelte in den 1950er Jahren eine neue Generation von Teenagern, vermischte erstmals schwarze und weiße Musik miteinander und fegte die alten Pop-Crooner mit einer Welle sexuell aufgeladener Tanzmusik von der Szene. Die Songs auf “Tribal” sind erfüllt vom rebellischen Geist, der den Rock’n'Roll damals auf die nichts Böses ahnende Welt losließ. Aber auch vom subversiven Geist der Punkbands, die Imelda bewunderte, als sie in den späten 1970er Jahren in Dublin als jüngste von fünf Geschwistern aufwuchs und die Musik von The Clash, The Undertones, The Buzzcocks und The Cramps hörte. “Abrocken liegt mir”, sagt die Sängerin. “Deshalb wollte ich auch etwas von der Aufsässigkeit des Punk und frühen Rock’n’Roll in dieses Album injizieren. Denn das ist meine Triebfeder.”
Angetrieben wird die 40-Jährige, die letzten Sommer erstmals Mutter wurde, aber auch von unbändiger Lebensfreude. Diese zeigt sich z.B. in dem Song “It’s Good To Be Alive”, den sie laut eigener Aussage “in den frühen Morgenstunden direkt am Tag nach der Geburt meines Babys” schrieb. Imelda fand die perfekte Balance zwischen Aufsässigkeit und Ausgelassenheit etwa in Songs wie “I Wanna Dance”, “Wicked Way” und ganz besonders “Wild Woman”, wo es im Refrain heißt: “There’s a wild woman livin' inside of me/A wicked, wicked wild woman, dyin' to be free”. “Natürlich werden die Leute mit zunehmendem Alter im Allgemeinen verantwortungsbewusster und schlagen nicht mehr so über die Stränge”, sagt May. “Aber in uns allen schlummert auch immer noch ein Verrückter.” Und den hat Imelda May auf “Tribal” wachgeküsst.
Zu den Heldinnen, die Imelda seit jeher inspiriert haben, gehören u.a. Sängerinnen aus den 1950ern wie Sister Rosetta Tharpe und Wynona Carr, die Rockabilly-Queen Wanda Jackson, die Country-Superstars Patsy Cline und Dolly Parton sowie eine Reihe von Rock- und Pop-Ikonen wie Joan Jett, Patti Smith, Debbie Harry und Chrissie Hynde. Sie alle haben eines gemein. “Es sind starke Frauen”, grinst Imelda. “Starke Frauen wie ich.”