Letztes Jahr veröffentlichten John Surman und Jack DeJohnette ihr spannendes Duo-Live-Album “Invisible Nature” (ECM 1796). Nun meldet sich das Duo schon mit einem weiteren Live-Album und Verstärkung zurück. “Free And Equal” spielten Surman und DeJohnette mit London Brass, Englands bestem klassischen Blechbläserensemble, ein.
Die Aufnahmen wurden im Sommer 2001 in der Londoner Queen Elizabeth Hall mitgeschnitten. Das Konzert war Teil des von Robert Wyatt organisierten Meltdown-Festivals.
Das Programm enthielt sowohl neue Kompositionen John Surmans als auch gänzlich improvisierte Stücke von Jack und John, die nun bereits seit 35 Jahren immer wieder miteinander arbeiten. Wie schon das Oratorium “Proverbs And Songs” (ECM 1639), das für den Mercury Prize nominiert war, und das mit einem Streicherquintett eingespielte Album “Coruscating” (ECM 1702), so ist auch “Free And Equal” ein stilistischer Grenzgänger zwischen zeitgenössischer Klassik und modernem Jazz.
Sjohn urman hat eine besondere Vorliebe für Blechblasinstrumente. Die Idee, mit einem Blechbläserensemble als “Chor” zu arbeiten, reizte ihn schon länger. Ein Umstand, der sicherlich auf Surmans frühmusikalischen Werdegang zurückzuführen ist: Der Brite war nämlich, lange bevor er Saxophonist wurde, Chorknabe. Und so kam es nicht von ungefähr, daß er auf seinen Holzblasinstrumenten später eine geradezu gesangliche Phrasierung entwickelte, die all seinen Werken als Impovisator und Komponist ihren Stempel aufdrückte. Einen ersten Versuch mit einem Blechbläserensemble als “Chor” unternahm Surman mit dem Brass Project, mit dem er 1992 ein gleichnamiges Album (ECM 1478) aufnahm, das die Village Voice damals dazu verleitete, ihn den “britischen Wayne Shorter” zu nennen. Mit Jack DeJohnette und London Brass entwickelte Surman diese Musik nun weiter.
Der Albumtitel “Free And Equal” geht auf die am 25. Oktober 1945 ratifizierte Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen zurück, in deren Artikel 1 es heißt: “Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.” Angesichts der jüngsten weltpolitischen Ereignisse fällt es nicht schwer zu erahnen, wem der Brite John Surman und der Amerikaner Jack DeJohnette diesen Artikel gerne hinter die Ohren schreiben würden.
Das Ensemble London Brass wurde 1985 gegründet. Sein Repertoire basierte in den ersten Jahren vor allem auf Barockmusik. Doch im Laufe der Jahre wandte sich das Ensemble immer mehr zeitgenössischen Kompositionen und auch dem Jazz zu. Vor kurzem glänzte London Brass in der St. Paul’s Cathedral mit der Uraufführung von Sir Harrison Birtwistles “Sonace” und bei den London Proms in der Royal Albert Hall spielte die zehnköpfige Band bei ihrem Konzert Stücke des 1996 verstorbenen japanischen Komponisten Toku Takemitsu. In letzter Zeit schrieben immer mehr Komponisten – wie u.a. u.a. Michael Nyman, Richard Rodney Bennett, Mark Anthony Turnage und Michael Gibbs – eigens Werke für London Brass.
Im Februar haben John Surman und Jack DeJohnette eine Europa-Tournee gestartet, auf der sie sowohl Stücke von “Free And Equal” spielen als auch von “Invisible Nature”. Eine weitere Tournee zusammen mit London Brass soll später folgen.