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Joel Ross – Klöppeln gehört zum Handwerk

Mit “KingMaker” legt der junge Vibraphonist Joel Ross sein Debüt bei Blue Note vor, wo er in die Fußstapfen von Größen wie Milt Jackson, Bobby Hutcherson und Stefon Harris tritt.
Joel Ross - King Maker
Joel Ross - King MakerLauren Desberg
02.05.2019
2018 war für Joel Ross ein ebenso ereignis- wie erfolgreiches Jahr. Der in Chicago geborene und heute in Brooklyn lebende Vibraphonist tauchte auf einem gefeierten Album nach dem anderen auf: “Universal Beings” von Makaya McCraven, “In Common” von Walter Smith III und Matthew Stevens, “Flight” von James Francies und “Modern Flows, Vol. II” von Marquis Hill. Darüber hinaus teilte er die Bühne mit Größen wie Herbie Hancock, Louis Hayes und Christian McBride, Zeitgenossen wie Ambrose Akinmusire, Gerald Clayton und Jon Batiste sowie seinem Instrumentalkollegen Stefon Harris. Jetzt ist für den erst 23-Jährigen allerdings die Zeit gekommen, seine Talente als Instrumentalist, Komponist, Improvisator und Bandleader auf seinem ersten eigenen Album ins Scheinwerferlicht zu rücken. Mit “KingMaker” führt er bei dem legendären Label Blue Note Records das illustre Vermächtnis von Vibraphonvirtuosen wie Milt Jackson, Bobby Hutcherson und Stefon Harris fort. 
Auf “KingMaker” vereint Ross technische Brillanz mit viel jugendlicher Energie und einer breiten Palette von Emotionen. Für die Einspielung des Albums ging er mit den Musikern seiner regulären Band Good Vibes ins Studio: Altsaxophonist Immanuel Wilkins, Pianist Jeremy Corren, Bassist Benjamin Tiberio und Schlagzeuger Jeremy Dutton. Dazu gesellten sich als Gast noch die Sängerin Gretchen Parlato und als Produzent der Bassist Harish Raghavan, der vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Ambrose Akinmusire bekannt ist. Die schlanken und melodischen Stücke des Albums – die bis auf eine Nummer aus der Feder des Protagonisten stammen – reflektieren eine wilde Vielfalt von Inspirationen: das verblüffende Zusammenspiel von Miles Davis und Wayne Shorter, den coolen Anschlag von Milt Jackson, die harmonische Scharfsinnigkeit von Stefon Harris, die rhythmische Hitzigkeit von Steve Coleman und die geniale Weise, wie Ambrose Akinmusire seine Alben konzipiert und dramaturgisch aufbaut. Dreh- und Angelpunkt von “KingMaker” ist aber ein weiser Ratschlag, den Ross von seinem Idol Bobby Hutcherson persönlich erhielt: “Schreibe Musik über dein Leben und schreibe jeden Tag.”
“Ich habe Bobby beim Wort genommen”, sagt Ross, der Hutcherson in seinem Haus in Kalifornien besuchte, als er dort studierte. “Jede Komposition ist beeinflusst von Menschen oder Ereignissen, Beziehungen, die ich hatte, oder sogar einer Frage, die mir jemand gestellt hat.” So widmete er das Titelstück seiner Mutter und andere Kompositionen seinem Zwillingsbruder, seinem Vater oder seiner Nichte. Joel und sein Bruder wuchsen mit drei älteren Schwestern in einem harmonischen Zuhause in einem ruhigen Viertel auf der South Side von Chicago auf. Als die Zwillinge drei Jahre alt waren, kamen die Eltern zum Schluss, dass es billiger sei, ihnen kindgerechte Schlagzeugsets zu kaufen, als sie weiterhin wild auf Möbeln und Haushaltsgeräten herumtrommeln zu lassen. Schon bald wechselten sich die Zwillinge im Musikensemble ihrer Kirche, in der ihr Vater zeitweise Chorleiter war, am Schlagzeug ab. Mit zehn Jahren traten sie der Schulband bei, wo Joel zum Xylophonspielen verdammt wurde, während sein Zwillingsbruder – weil er ein paar Minuten älter war – den Platz am Schlagzeug einnehmen durfte. In der All-City Concert & Jazz Band, die Schüler aus der ganzen Stadt vereinte, machte Joel Ross dann erstmals Bekanntschaft mit dem Instrument, das er heute so meisterhaft beherrscht. Obwohl er danach das Jazz Institute of Chicago und die Chicago High School for the Arts besuchte, hatte er nie einen richtigen Vibraphonlehrer.
Das änderte sich erst, als er bei einem Festival Stefon Harris kennenlernte, der ihn dazu ermunterte bei dem von ihm geleiteten Brubeck Institute Jazz Quintet an der University of the Pacific in Stockton/Kalifornien vorzuspielen. Ross ergatterte den Platz und konnte so zwei intensive Jahre lang unter der Ägide von Harris arbeiten und einen völlig neuen Zugang zu seinem Instrument finden. “Unter Stefons Anleitung habe ich meine Technik komplett überarbeitet”, sagt Ross. “Ich lernte dort auch seine (inzwischen berühmte) Methode für Gehörbildung kennen und wie man Emotionen auf Akkorde überträgt oder Harmonien auf neue Weise hört. Und ich habe herausgefunden, wie ich klingen wollte.” Danach wechselte Ross zur New School in New York, wo er seine erste eigene Band Good Vibes gründete, mit der er sich nun auch auf seinem brillanten Debütalbum “KingMaker” präsentiert.