Fast könnte man glauben, Paco de Lucía habe gespürt, dass “Canción Andaluza” seine letzte Einspielung werden sollte. Denn mit den Aufnahmen für dieses Album, das er kurz vor seinem Tod fertigstellte, schloss der Gitarrist auf ebenso wunderbare wie überraschende Weise einen Kreis: Indem er zu den poetischen andalusischen Volksliedern zurückkehrte, mit denen er im südspanischen Algeciras aufgewachsen war und die er vor allem ganz am Anfang seiner Karriere oft spielte. Für den bekannten spanischen Flamenco-Experten José Manuel Gamboa bilden diese Stücke schlicht den “Soundtrack, der Paco de Lucías Biographie begleitete”. Der Flamenco-Virtuose schwelgt auf “Canción Andaluza” in Erinnerungen und Melodien.
Paco de Lucía selbst bezeichnete diese Lieder nicht wie sonst üblich als Coplas, Canciones españolas oder Tonadillas, sondern stets nur als “Canciones Andaluzas” (Andalusische Lieder), um dadurch ihre Nähe zum andalusischen Flamenco zu unterstreichen. Seine portugiesischstämmige Mutter Luzía Gomes Gonçalves hatte eine besondere Vorliebe für diese populären Lieder gehabt und sang sie dem kleinen Paco in seiner Kindheit vor. Und so interpretierte er einige dieser Titel auch gleich zu Beginn seiner Karriere auf den Alben, die er zusammen mit Ricardo Modrego (“12 Éxitos Para 2 Guitarras Flamencas”, 1965) oder seinem älteren Bruder Ramón de Algeciras (“Canciones Andaluzas Para 2 Guitarras”, 1967) machte.
Bei der Einspielung von “Canción Andaluza” folgte Paco de Lucía seinen eigenen Gesetzen. Gesetzen, die besagen, dass alles verbesserbar ist und auch verbessert werden sollte. Der Gitarrist (der hier außerdem arabische Laute, Mandoline und weitere Saiteninstrumente spielt) verleiht diesen im Grunde simplen Liedern eine erstaunliche Komplexität, die sie aber trotzdem nicht ihres ursprünglichen Charmes beraubt. Mit einen schöneren Schlussakkord hätte der im Februar 2014 verstorbene Paco de Lucía seine erstaunliche Karriere kaum beenden können.