Vorstellen muss man Paul Simon wohl eigentlich niemandem mehr. Die einen lernten ihn schon in den 1960er als Partner von Art Garfunkel mit sanftem Folk-Rock kennen, andere in den 70ern mit scharfsinnig-gewitzten Solo-Hits wie “Mother And Child Reunion”, “Kodachrome” und “50 Ways To Leave Your Lover”. Jüngere Generationen entdeckten ihn dann in den 80ern oder 90ern durch seine groovigen Weltmusikerfolgsalben “Graceland” und “Rhythm Of The Saints”. Der Mann, der seit einem halben Jahrhundert den Ruf genießt, einer der besten Songwriter der Welt zu sein, erfindet sich künstlerisch immer wieder neu und bleibt sich dabei dennoch treu. Jetzt legt er mit “So Beautiful Or So What” sein zwölftes Studioalbum vor. Der deutsche Rolling Stone widmete Simon in seiner neuesten Ausgabe eine vierseitige Geschichte und kam in seiner Rezension des Albums zu dem Schluss: “Das organischste und schönste Simon-Werk seit langem.” Restlos begeistert äußert sich auch Simons Songwriter-Kollege Elvis Costello in seinen einleitenden Worten für das Booklet der CD: “Wir haben hier einen Mann, der im Vollbesitz all seiner Begabung ist und die Komödie und Schönheit des Lebens mit Klarheit und der durch die Zeit erworbenen Zärtlichkeit betrachtet.”
Keine Frage: Der Meister hat mit “So Beautiful Or So What” ein neues Meisterwerk abgeliefert. Wohl kaum ein anderes Künstler würde es schaffen, eine Mixtur aus Pop und Bluegrass mit afrikanischen, karibischen und indischen Musikeinflüssen so homogen klingen zu lassen. Wie in seinen besten Zeiten paart Simon nachdenklich-gewitzte Texte mit eingängigen Melodien und groovigen Rhythmen. Das Album beginnt mit einer Nummer, die trotz ihres Titels eigentlich ein Stück für alle Jahreszeiten ist: “Getting Ready For Christmas Day” gibt mit seinem Text, der trockenen Witz und politisches Bewusstsein kombiniert, sowie seiner ungemein eingängigen Melodie die weitere Marschroute des Albums vor. Gleich im Anschluss sinniert Simon in “The Afterlife”, das er mit einem entspannten Soca-Beat unterlegt hat, darüber nach, wie wohl “das Leben danach” aussieht – so viel sei verraten: vor bürokratischem Ärger scheint man auch dann nicht sicher zu sein. Im blues-rockigen “Love Is Eternal Sacred Light” setzt er sich mit den Kräften von Gut und Böse auseinander, während er im nachdenklichen “Questions For The Angels” die Geschichte eines religiösen Pilgerers und der Obdachlosen erzählt, die durch die Straßen Brooklyns wandern. Im Titelstück überrascht Simon die Hörern dann mit einem Chicken-Gumbo-Rezept.
Zwei der Songs nahm Simon mit Doyle Lawson und seiner Bluegrass-Band Quicksilver auf. Als Gäste wirkten außerdem Simons Frau Edie Brickell, Schlagzeuger Chris Bear von der New Yorker Indie-Rock-Band Grizzly Bear und der New Orleanser Jazzklarinettist Michael White mit. Zwei verstorbene Legenden der schwarzen Musik läßt Paul Simon außerdem per Samples wieder auferstehen: den Baptistenprediger und Gospelsänger Reverend J. M. Gates sowie den Bluesharp-Spieler Sonny Terry.
Über ein Jahr lang feilte Paul Simon an den Songs, bis sie schließlich so waren, wie sie ihm vorgeschwebt hatten. Und die Mühe hat sich zweifelsfrei mehr als gelohnt. Ihn selbst erinnert “So Beautiful Or So What” an sein erstes Soloalbum “Paul Simon”, mit dem er 1972 im Sturm die Charts eroberte und sich zugleich als einer der besten Songwriter der amerikanischen Popszene etablierte. Jetzt beweist Paul Simon, dass er bis heute nichts verlernt hat und immer noch magische Songs zu schreiben versteht.
Und um die Freude aller seiner deutschen Fans noch zu vergrößern, kündigt Paul Simon für Juli drei Konzerte an: Am 9. Juli wird er in der Hamburger Laeiszhalle gastieren, am 11. Juli in der Berliner Zitadelle und am 12. Juni schließlich in der Zitadelle in Mainz. Wenn das nicht wunderbar ist …