Es fängt so mutig an wie früher, nur dass das früher nicht als mutig galt. Zwei Minuten und 30 Sekunden lang hört man
Robert Glasper … sprechen. Sein neues Album entstand “live im Studio”, vor einem kleinen aber feinen Publikum, da sagt man schon mal was zu der Musik, die gleich gespielt wird und auch über die Musiker, die mit dabei sein werden. Wie gesagt, früher mal Usus, heute durchaus mutig und auch ziemlich ungewohnt. Das allerdings gilt dann für die kommende gute Stunde noch viel mehr. Wer nämlich Robert Glasper erst dank seiner immens erfolgreichen “Black Radio”-Alben kennenlernte und sich vielleicht bei einem der letzten Konzerte vor dem “Robert Glasper Experiment” die Hände wund geklatscht und die Beine müde getanzt hat, wird den 37-jährigen Texaner hier womöglich nur schwer wiedererkennen. Denn Glasper hat sich frisch ins akustische Piano verliebt. Allerdings nicht zum ersten Mal, denn mit einem klassischen Trio aus Piano, Bass und Drums hatte seine Karriere einst begonnen. Sie hatte ihn nur noch nicht zum weltweit bekannten Star gemacht, sondern lediglich, aber immerhin, zum Geheimtipp der Jazz-Connaisseure.
All den Klischees und Dogmen, die sich um das Format Jazz-Trio ranken und es als Erbverwalter eines klassischen Kanons sehen, dem lediglich sachte Neu-Interpretationen erlaubt sind, möchte Glasper sich gemeinsam mit Vicente Archer am Bass und Schlagzeuger Damion Reid allerdings keinesfalls unterwerfen. Mit “Stella By Starlight” enthält sein Album gerade einmal einen Jazz-Standard, ansonsten greift er auf Songs aus dem HipHop- und R’n'B-Repertoire, auf Werke von Bilal und John Legend, Kendrick Lamar und Musiq Soulchild zurück oder covert Radiohead und Joni Mitchell.
Auf seinem irritierend genialischen neuen Werk jongliert Glasper mit Atmosphären wie ein Zirkusartist mit brennenden Fackeln, er entschleunigt manche Vorlage bis zur Zeitlupe, um dann zunächst unmerklich, auf einmal aber fast halsbrecherisch Tempo zu machen. Sein Piano ist ein erzählerisches, beinahe lyrisches, das die fehlenden Vokalisten meist mehr als nur ersetzt. Und kurz vor Schluss wird dann doch noch gerappt. Im leider nur gut zwei Minuten kurzen “Got Over” erzählt niemand geringeres als der inzwischen 88-jährige Harry Belafonte eine ergreifende Geschichte im Stile des frühen Gil Scott-Heron. Und es gilt nach wie vor: The Revolution will not be televised.