Roy Hargrove | News | Roy Hargrove - Earfood

Roy Hargrove – Earfood

21.05.2008
Glatte zwei Jahre sind verstrichen seit der Veröffentlichung des letzten Albums, nein, der letzten Alben von Roy Hargrove. Denn im Mai 2006 überraschte der Trompeter mit der Parallelveröffentlichung zweier stilistisch sehr unterschiedlicher Werke: Mit “Distractions” beendete er seinen zum Beginn des neuen Millenniums gestarteten Ausflug in die Klangwelten des NeoSoul und HipHop, während er mit “Nothing Serious” gleichzeitig seine Rückkehr zum lupenreinen Jazz manifestierte. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, daß Roy Hargrove der Musikwelt mit seinem Projekt RH Factor nur kurz beweisen wollte, daß er sich auch in einem etwas kommerzielleren Umfeld behaupten könne, wenn er nur wolle. Dieser Eindruck allerdings ist trügerisch, denn tatsächlich ging er das Projekt, das neben “Distractions” noch das Album “Hard Groove” (2003) und die EP “Strength” (2004) hervorbrachte, mit demselben Ernst und Ehrgeiz an wie all seine zuvor erschienenen Jazzalben. Nicht zuletzt deshalb kamen diese Seitensprünge auch im Jazzlager, das solchen Experimenten ansonsten oft mit großer Skepsis, ja, sogar Ablehnung begegnet, überraschend gut an. Doch nun ist Roy Hargrove zu seiner eigentlichen Domäne – dem geradlinig gespielten Jazz – zurückgekehrt.
Schon die Besetzung des Quintetts, mit dem Hargrove das neue Album “Earfood” eingespielt hat, läßt erahnen, was diesmal auf dem Programm steht: die Pflege des Hard-Bop-Erbes. In Altsaxophonist Justin Robinson, Pianist Gerald Clayton, Bassist Danton Boller und Schlagzeuger Montez Coleman fand der Trompeter die idealen Gefährten für sein Quintett, das gelegentlich Erinnerungen an Art Blakeys Jazz Messengers, das Horace Silver Quintet und das frühe Quintett von Herbie Hancock mit Freddie Hubbard und Dexter Gordon weckt. Natürlich fällt das Roy Hargrove Quintet dabei nicht komplett in die 50er und 60er Jahre zurück, sondern verjüngt und modernisiert das Hard-Bop-Idiom auf subtile Weise.
 
Im Repertoire hat die Band neben Eigenkompositionen unter anderem “I’m Not So Sure”, eine Nummer, die der Pianist Cedar Walton Anfang der 70er Jahre für Art Blakeys Jazz Messengers komponierte und die prachtvolle Ballade “Speak Low”, die Kurt Weill 1943 mit dem Lyriker Ogden Nash für das Broadway-Musical “One Touch Of Venus” schrieb. Die größte Überraschung auf diesem Album ist sicherlich Hargroves herrliches Remake des 1962er Sam-Cooke-Hits “Bring It On Home To Me”.
 
Hargrove macht keinen Hehl daraus, daß er dieses Album nicht zuletzt machte, um sein Publikum auf hohem Niveau zu unterhalten. “Ich will den Hörer auf direktem Weg erreichen. Es soll so melodisch und einfühlsam sein, daß man es einfach auf den iPod ziehen oder in den Player legen und laufen lassen kann. Die Musik sollte einfach ein guter Teil des Tages sein.”
“Mein Ziel war es, eine Aufnahme zu machen, die von Tradition und Sophistication durchdrungen ist, aber zugleich den Sinn für melodische Einfachheit wahren sollte”, fährt der Trompeter fort. Eine Schlüsselposition kam dabei, laut Hargrove, dem Toningenieur Al Schmitt zu: “Er ermöglicht es einem, die technische Seite komplett zu vergessen und sich auf die Musik zu konzentrieren.”
 
Noch wichtiger für das Erreichen von Hargroves Ziel war freilich das Zusammenspiel des Ensembles. “Der geschlossene Klang dieser Band ist ein Resultat unserer konstanten Tourneetätigkeit. Dabei lernen wir einander wirklich kennen, auf der Bühne genauso wie fernab der Bühne. Und dadurch verschwenden wir bei den Aufnahmen weniger Zeit im Studio.”
 
Aber natürlich ging es Roy Hargrove nicht alleine um die Unterhaltung seines Publikums. Sondern auch um die Reetablierung verlorengegangener Werte. “Die Leute schenken dem Jazz heute nicht mehr so viel Aufmerksamkeit”, erkannte Hargrove während seines Intermezzos mit RH Factor. “Daran sind die Jazzmusiker zum Teil aber auch selber schuld, da sich einige zu sehr darum bemühen, intellektuell zu erscheinen. Diese Musiker haben dann selbst keinen Spaß, wenn sie ihre Musik spielen, und deshalb kommen dann letztendlich auch weniger Leute zu ihren Konzerten, um sie live spielen zu hören. Ich hoffe, daß die Leute beim Hören unseres Albums genauso viel Spaß haben wie wir bei den Aufnahmen hatten.”
Mehr von Roy Hargrove