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Beseelt vom Geiste John Coltranes: afrikanisch-asiatische Flötenmeditationen

Mit “Afrikan Culture” legt Shabaka Hutchings seine allererste Solo-Aufnahme vor, auf der er unerwartete neue musikalische Seiten offenbart.
Shabaka Hutchings - Afrikan Culture (Impulse! Records)
Shabaka Hutchings - Afrikan Culture (Impulse! Records)
19.05.2022
Shabaka Hutchings kennt wohl jeder, der sein Ohr in den vergangenen zwölf Jahren am Puls des zeitgenössischen britischen Jazz hatte. Weltweit gefeiert wird Hutchings vor allem als vitaler Tenorsaxofonist, visionärer Komponist und mehr oder weniger heimlicher Leader der bahnbrechenden Londoner Bands Sons of Kemet, The Comet is Coming und Shabaka & The Ancestors. Die Musik, die er mit diesen Ensembles macht, ist eine mitreißend wilde Mixtur aus jazzigen Improvisationen, Echos der afrikanischen Diaspora und seines karibischen Kulturerbes, zeitgenössischen elektronischen Klängen, Beats und Grooves sowie psychedelischen Elementen. Wobei die Gewichtung und Zusammensetzung der Bestandteile bei jedem dieser Projekt stets anders und veränderlich ist. Nach insgesamt elf Veröffentlichungen mit Sons of Kemet (vier Alben), The Comet is Coming (drei Alben, zwei EPs) und Shabaka & The Ancestors (zwei Alben) ist “Afrikan Culture” nun die erste wirkliche Solo-Aufnahme von Shabaka. In Deutschland erscheint die acht Tracks fassende EP in rein digitaler Form.
Auf “Afrikan Culture” erschließt Shabaka einen sehr ruhigen, meditativen Klangraum, der sich klar und deutlich von den musikalischen Gefilden unterscheidet, die er ansonsten mit all seinen Bands durchstreift. Außerdem spielt er hier überraschenderweise erstmals gar nicht Saxofon. Stattdessen ist er in erster Linie mit verschiedenen japanischen Shakuhachi-Bambusflöten zu hören. Aber auch mit seiner Klarinette, dem afrikanischen Lamellophon Mbira, Windspielen, Glöckchen und seiner Stimme.
In den acht Nummern von “Afrikan Culture” präsentiert sich Shabaka zudem entweder ganz allein oder mit jeweils nur einem Partner als Gast. In “Call it a European paradox” ist es die beeindruckende ukrainisch-polnische Jazzharfenistin Alina Bzhezhinska (Spitzname Alina Hip Harp), die Dorothy Ashby und Alice Coltrane zu ihren Vorbildern auserkoren hat. Der senegalesische Griot und Kora-Spieler Kadialy Kouyate begleitete Shabaka bei der Einspielung von “Ital is vital” und “Rebirth”, während Dave Okumu, als Sproß kenianischer Eltern in Wien geboren und ab dem 10. Lebensjahr in London aufgewachsen, mit den verzerrten Klängen seiner E-Gitarre “Explore inner space” zusätzliche Würze gibt. Und der Schlagzeuger und Elektronikmusiker Kwake Bass, der mit Shabaka und Soweto-Kinch-Bassist Karl Adedare Rasheed-Abel seit einigen Jahren das Trio Thousand Kings bildet, steuert mit seiner Music Box schließlich etwas zur mystischen Soundkulisse von “Ritual awakening” bei.
“‘Afrikan Culture’ basiert auf dem Konzept der Meditation”, erläutert Shabaka. “Es geht darum, was es für mich bedeutet, meinen eigenen Geist zu besänftigen und die Musik zu akzeptieren, die an die Oberfläche gelangt. In den Stücken spiele ich verschiedene Arten von Shakuhachi-Flöten, die ich in den letzten Jahren erlernt habe und jeden Tag für bewusste Atemübungen benutze. Ich stelle auch eine neue Technik vor, mit der ich experimentiert habe. Dabei schichte ich die Klänge vieler Flöten übereinander, um einen Klangwald zu erschaffen, in dem Melodien und Rhythmen im Raum schweben und in flüchtigen Momenten auftauchen können.”
2017 unterschrieb Shabaka einen Plattenvertrag bei Impulse! Records. Seitdem genießt er dort eine Art Carte blanche, so wie sie das legendäre Label zuvor nur einem Künstler gewährt hatte: John Coltrane in den 1960er Jahren. Mit der Musik von “Afrikan Culture” ist Shabaka Hutchings seinem Idol und dessen meditativen Improvisationen nun näher denn je gekommen, ohne ihn dabei in irgendeiner Weise zu imitieren.
 
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