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Stephan Micus – Reise durch einen exotischen Klangkosmos

Auf dem Album “Inland Sea” nimmt einen der Multiinstrumentalist Stephan Micus auf eine musikalische Reise an weit verstreute Orte und in vollkommen einzigartige Klangwelten mit.
Stephan Micus
Stephan Micus© René Dalpra / ECM Records
14.06.2017
Der Multiinstrumentalist Stephan Micus ist ein Meister, wenn es darum geht, ganz eigene musikalische Landschaften zu kreieren. Er sozusagen ein Ein-Mann-Klanguniversum. Seit nunmehr 49 Jahren reist er durch die Welt, sammelt und studiert Musikinstrumente aus aller Herren Länder, für die er neue Musik erschafft. Oft kombiniert er Instrumente verschiedener Kulturen und Kontinente, die man normalerweise nie zusammen hören würde.
Und auf jedem Album richtet er den Fokus auf andere “Protagonisten”. Im Mittelpunkt seines neuen Albums “Inland Sea” steht  die schwedische Nyckelharpa, die manchmal auch als Tastenfidel bezeichnet wird. David Harrington vom Kronos Quartet nannte sie einmal einen “Dinosaurier”, teils wegen ihres eigentümlichen Aussehens, teils weil sie seltsame, archaische Elemente aufweist wie die zwölf Resonanzsaiten, die unter den vier Spielsaiten liegen. Die Tonhöhe der Spielsaiten kann durch vier hölzerne Tasten verändert werden, was dieses Instrument zu einem beeindruckenden Stück technischer und handwerklicher Kunst macht.
“Bei den meisten Instrumenten verwende ich erst Jahre darauf, sie zu erlernen, und danach versuche ich dann wieder alles zu vergessen, was ich gelernt habe”, sagt Micus. “Ich betrachte sie, als ob sie gerade vom Mars gekommen wären, gehe ohne jegliche vorgefasste Meinung an sie heran. Dann experimentiere ich und versuche alle dem Instrument innewohnenden Möglichkeiten zu erschließen und über seine Grenzen hinauszugehen.”
Die Nyckelharpa benutzt Micus hier das erste Mal. So wie er es bei den meisten seiner Instrumente macht, hat er sie seinen eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen angepasst. Traditionell wird die Nyckelharpa vorwiegend beim Spielen von Polkas und anderen Tanzliedern eingesetzt, weshalb sie mit einem kurzen Bogen gespielt wird, der besser für rhythmische Musik geeignet ist. Micus verwendet hingegen einen längeren Bogen, der ihm ermöglicht, längergezogene Noten zu spielen.
Außerdem hängt er sich die Nyckelharpa  nicht wie eine Gitarre an einem Gurt um den Hals, sondern hält sie senkrecht wie ein Cello zwischen seinen Beinen. “Bisher hatte ich nur Streichinstrumente aus Asien gespielt”, erläutert Micus. “Ich mag die Nyckelharpa, weil sie einen europäischen Geist in sich trägt, den ich in dieser Musik unbedingt einbringen wollte.”
Das zweite Melodieinstrument, dem auf dem Album eine prominente Rolle zukommt, ist die japanische Shakuhachi-Flöte, mit der sich Micus nun schon seit 43 Jahren auseinandersetzt und die eines seiner Lieblingsinstrumente ist. Sie verleiht drei Stücken auf "Inland Sea” eine Stimme spiritueller Weisheit. Außerdem singt Micus noch in einer von ihm erfundenen Sprache oder bedient sich polyphoner Gesänge, die er in Georgien und Bulgarien studiert hat.
Die melodischen Stimmen werden wiederum vom Klang diverser gezupfter Saiteninstrumente begleitet. Neben der Nyckelharpa macht uns Micus auf “Inland Sea” auch erstmal mit dem Balanzikom bekannt. Das Instrument, das er im Wakhan-Tal an der Grenze zwischen Tadschikistan und Afghanistan entdeckte, ist so selten, das man das Internet vergebens nach ihm absucht. Die marokkanische Gimbri, die mit Gnawa-Musikern assoziiert wird und von Micus erstmals auf seinem letzten Album “Nomad Land” verwendet wurde, kommt erneut zum Einsatz. Darüber hinaus spielt er außerdem Gitarren, eine Akkordzither und eine riesige Bass-Zither mit 1,70 m langen Saiten. Die beiden letzteren Instrumente wurden von Micus selbst entworfen.
“Wenn ich spiele, höre ich dem Instrument zu und erzähle die Geschichten, die es in sich trägt”, sagt Stephan Micus. “ch betrachte Instrumente wie menschliche Wesen. Jeder von uns hat eigene Geschichten zu erzählen. Bei Instrumenten ist es ähnlich. Wenn ich ein Stück für eine bestimmte Shakuhachi komponiert habe, klingte es auf einer anderen irgendwie nicht richtig. Die Melodie wurde wirklich für und auf einem bestimmten Instrument geschrieben. Ein Komponist ist wie ein Führer, der einen auf einen Rundgang mitnimmt. Er wird dich an einem bestimmten Ort abholen, dich auf unbekanntes Territorium geleiten und von dort wieder zurückbringen.” So wie es Stephan Micus mit der Nyckelharpa auf “Inland Sea” macht.
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